Strassenbauprojekte

«Der Boden für solche Projekte wird steiniger»

13.03.2023, 05:59 Uhr
· Online seit 13.03.2023, 05:32 Uhr
Im Kanton Bern können zwei Strassenprojekte im Oberaargau und Emmental realisiert werden. Nach einem emotionalen Abstimmungskampf wurden die Vorlagen angenommen. Das aber nicht ohne Gegenwind – die Zukunft für solche grossen Projekte sieht SVP-Regierungsrat Christoph Neuhaus im Interview ebenfalls kritisch.
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Christoph Neuhaus, wie erleichtert sind Sie nach den Abstimmungsergebnissen?

Ich bin froh, dass so entschieden wurde. Jetzt können wir weiterarbeiten.

Darf man sich als Bau- und Verkehrsdirektor denn überhaupt noch daran gewöhnen, dass Vorlagen wie diese von der Bevölkerung angenommen werden? Es gab ja doch sehr viel Gegenwind.

Ich bin jetzt seit fast 16 Jahren dabei und ich habe mich noch an nichts gewöhnt. Und wenn es Gegenwind gibt, ist es gut – Gegenwind gibt Auftrieb.

Aber es ist schon so: Solche Bauprojekte stossen auf immer mehr Widerstand. Grüne Bedürfnisse werden wichtiger, die Finanzen werden kritischer angeschaut – waren das heute womöglich schon bald die letzten solchen Grossprojekte, die durchgekommen sind?

Das werden wir in zwanzig bis vierzig Jahren bewerten können. Aber: Seit 2002 haben wir Hochkonjunktur, uns geht es gut, vor diesem Hintergrund haben es Bauprojekte schwieriger. Wenn es läuft, dann haben viele das Gefühl, dass man nichts Neues braucht. Wir sehen auch, dass man mehr zu einer ‹Ich-AG› wird. Wenn es einem selbst nichts bringt, dann will man es auch nicht. Ich habe das Gefühl, der Boden für solche Projekte wird steiniger. Wie es in Zukunft aussehen wird, ist aber schwer zu beurteilen, vor einem Jahr hätte auch niemand damit gerechnet, dass in Europa nochmals ein Krieg ausbrechen wird.

Braucht es denn heute mehr Überzeugungsarbeit?

Das war relativ schwierig. Wir (der Regierungsrat, Anm. d. Red.) haben beschränkte Mittel, mit denen wir arbeiten dürfen, während die Gegnerinnen und Gegner alles dürfen. Die Gegner waren auch sehr geschickt in der Medienarbeit. Wir haben festgestellt, dass es auch Journalistinnen und Journalisten gibt, die nicht mehr genau unterscheiden können, ob sie Journalistinnen oder Polit-Agitatoren sind. So wird es für das Gemeinwesen schwieriger. Aber wo ist es noch gemütlich und nicht schwierig? Das ist in allen Branchen so – wir müssen es nicht gemütlich haben.

Hat sich der Ton in der Diskussion um solche Projekte verschärft? Auch Sie waren ja in der aktuellen Diskussion aktiv in den sozialen Medien unterwegs.

Wenn auf Facebook Tatsachen behauptet werden, die nicht stimmen, dann sage ich dort, was Sache ist. Ich kann dort klarstellen, wie die Projekte genau aussehen und so Fragen beantworten und Unwahrheiten aus dem Weg räumen. Es ist aber schwierig: Was darf ich und was sollte ich nicht? Ich sollte ja auch magistral auftreten. Aber wenn gelogen oder die Wahrheit verdreht wird, dann sage ich das direkt und auf einer sachlichen Ebene.

Bei Verkehrsprojekten sind die Auswirkungen und künftigen Entwicklungen kaum mehr abzuschätzen: Elektromobilität nimmt zu, genauso wie die Möglichkeit, von überall her zu arbeiten. Haben sie nicht manchmal die Befürchtung, dass wir hier über Projekte entscheiden, die vielleicht in zehn bis zwanzig Jahren schon nicht mehr den aktuellen Bedürfnissen entsprechen?

Der Verkehr hat sich seit der Corona-Pandemie verändert. Dank Homeoffice ist es am Freitag auf den Strassen relativ gemütlich geworden. Aber in anderen Bereichen hat der Verkehr zugenommen. Dadurch, dass Leute vermehrt Teilzeit arbeiten, sind sie in ihrer Freizeit auf den Strassen unterwegs. Heutzutage fährt man problemlos mal grössere Distanzen. Beispielsweise für ein Konzert mal nach Luzern, Genf oder Zürich. Das ist nicht mehr wie früher. Daher bin ich überzeugt, dass die Leute mobil sind, auch in fünf, zehn oder zwanzig Jahren. Vielleicht ist der Verkehr aber bis dann dekarbonisiert.

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veröffentlicht: 13. März 2023 05:32
aktualisiert: 13. März 2023 05:59
Quelle: BärnToday

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