Sogar SVP war dafür

Ersatz von Ölheizungen: Klimagesetz orientiert sich am «Berner Modell»

· Online seit 07.05.2023, 09:39 Uhr
Vor der Abstimmung zum Klimaschutzgesetz gehen die Wogen hoch. Dabei geht die einzige konkrete Massnahme, die Förderung von klimafreundlicheren Heizungen, unter. Im Kanton Bern gibt es diese Förderung schon seit vier Jahren – und selbst die SVP findet sie gut.
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«Schützen, was uns wichtig ist» oder «Energie-Sicherheit zerstören?» – am 18. Juni stimmt das Schweizer Stimmvolk über das Klimaschutzgesetz ab. Der Ausgang des indirekten Gegenvorschlages zur Gletscherinitiative ist wegweisend für die zukünftige Klimapolitik der Eidgenossenschaft.

Hauptteil des geplanten Gesetzes, gegen das die SVP das Referendum ergriffen hat, ist die Zielvereinbarung. Es schreibt verbindliche Reduktionen von CO2-Emissionen vor und soll die Schweiz in die Klimaneutralität führen. Über die Umsetzung der Ziele bleibt das Gesetz weitestgehend unkonkret. Das Parlament hat nach einem allfälligen «Ja» die Aufgabe, entsprechende Pläne zu erarbeiten.

Die einzige konkrete Massnahme steckt im Anhang des Klimagesetzes. Ein Impulsprogramm soll den Ersatz von Heizungen mit fossilen Energieträgern sowie klimafreundliche Sanierungen fördern. Dafür sollen Förderbeiträge gesprochen werden. Vorgesehen sind zwei Milliarden Franken über zehn Jahre.

Riesige Nachfrage nach Heizungsersatz im Kanton Bern 

Das Konzept zur Förderung von klimafreundlicheren Heizsystemen kommt nicht von ungefähr. Das Parlament hat sich beim Verfassen des Gesetzestextes am Kanton Bern orientiert. Seit Jahrzehnten erhält in Bern Geld für Sanierungen, wer die Energieeffizienz und Klimafreundlichkeit fördert.

2019 wurden die Beiträge für den Heizungsersatz nach einem Beschluss im Kantonsparlament auf pauschal 10'000 Franken erhöht. Vorher betrug dieser 3000 Franken.

Das Angebot fand Anklang – und wie. «Die Nachfrage erhöhte sich damit von rund 1000 Gesuchen auf rund 35000 Gesuche pro Jahr», sagt Barbara Zehnder vom kantonalen Amt für Umwelt und Energie. Allein im ersten Jahr wurden demnach Förderbeiträge für den Ersatz von rund 11'000 Öl-, 1000 Gas- und 2000 Elektroheizungen gesprochen.

Die Anhebung des Förderbeitrags beschloss das Berner Kantonsparlament, nachdem die Stimmberechtigten kurz zuvor ein Energiegesetz bachab geschickt hatte. Ein Kompromiss: Statt den Einbau von Öl- und Gasheizungen stark einzuschränken, sollten die Anreize erhöht werden.

Das unterstützte in der Abstimmung im Parlament selbst die SVP. Als genau jene Partei, die das Klimaschutzgesetz auf nationaler Ebene – samt «Berner Modell» – nun lautstark bekämpft. Wie passt das zusammen?

Berner SVP steht immer noch hinter dem Entscheid 

BärnToday hat mit dem Mann gesprochen, der seinen Fraktionskolleginnen und -kollegen im Berner Kantonsparlament das Förderprogramm schmackhaft machte. Samuel Leuenberger, Grossrat aus Bannwil im Oberaargau, sagte damals: «Es scheint uns sinnvoll, dass insbesondere Kleinanlagen vermehrt gefördert werden, wenn Kleinölheizungen ersetzt werden.»

Nun sagt er: «Dabei handelte es sich damals um einen Kompromiss zwischen verschiedenen Fraktionen.» Und er gesteht: «In unserer Fraktion hielt sich die Begeisterung damals in Grenzen.»

Die SVP sei damals erfreut über die Berner Kantonsregierung gewesen, dass sie den Entscheid sofort umsetzte. Und dass durch den Förderbeitrag von stolzen 10'000 Franken ein tatsächlicher Anreiz bestand.

Weil wegen der hohen Nachfrage sich das Budget langsam erschöpfte, mussten 2021 die Pauschalbeiträge wieder gesenkt werden: auf 6000 Franken. «Die Nachfrage nach dem Förderprogramm ist jedoch unverändert hoch», sagt Zehnder vom Kanton.

SVP-Politiker Leuenberger steht nach wie vor hinter dem Anreizsystem. «Die SVP ist grundsätzlich für Förderprogramme – insbesondere bei kleinen Anlagen.» Dass das Förderprogramm des Kantons Bern auf Anreize statt Verbote setzt, sei der springende Punkt, sagt Leuenberger, der sich als Landwirt Anreizsysteme gewohnt ist. Er selbst hat denn auch eine Ölheizung auf seinem Betrieb mit einem Wärmeverbund ersetzt – betrieben mit eigenem Holz.

Wieso aber lehnen Leuenberger und seine Partei, die SVP, das Klimaschutzgesetz auf nationaler Ebene ab? Schliesslich bestätigt auch Leuenberger, dass das «Berner Modell» alles in allem funktioniert.

Darum will die SVP auf nationaler Ebene nichts mehr davon wissen

Das nationale Gesetz habe eine «ganz andere Dimension». Leuenberger missfällt der grundsätzliche Ansatz des Gesetzes. Dieser dreht sich um die Verankerung des Netto-Null-Zieles, zudem schreibt er verpflichtende Reduktionsziele vor.

Ob die SVP sich für das Gesetz einsetzen würde, wenn das Klimagesetz nur das Förderprogramm für den Heizungsersatz beinhalte? Für «müssig» hält Leuenberger diese Frage. «Die Diskussion ist abgeschlossen.»

Was sagt ein Experte zum vermeintlichen Sinneswandel der SVP? Laut dem Mann, der die Schweizer Parteienlandschaft und die Abstimmungskämpfe seit Jahrzehnten genau beobachtet, sei Leuenbergers Argumentation nachvollziehbar.

Polit-Experte hält SVP-Sinneswandel für «nachvollziehbar»

Politologe Claude Longchamp sagt auf Anfrage: «Natürlich ist es ein Widerspruch. Aber er hat Gründe.» Denn im Klimagesetz gehe es nicht nur um Förderbeiträge für klimafreundlichere Heizungen. «Der Ersatz von Ölheizungen ist da eher ein Supplement, das die SP forderte.»

Stattdessen gehe es beim Klimagesetz um die Grundsatzfrage, wie es in der Klimapolitik nach dem abgelehnten CO2-Gesetz weitergehen soll. «Aus Sicht der Schweiz ist das eine Mehr-Strom-Strategie mit finanziellen Einbussen», so Longchamp über die SVP-Kampagne gegen das «Stromfresser-Gesetz». Dass sich SVPlerinnen und SVPler, die sich für das «Berner Modell» aussprachen, sich nun gegen das Klimagesetz stellen, sei daher «nachvollziehbar». 

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veröffentlicht: 7. Mai 2023 09:39
aktualisiert: 7. Mai 2023 09:39
Quelle: BärnToday

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