Mittelland
Kanton Solothurn

Bundesräte aus dem Kanton Solothurn und dem Oberaargau

Munzinger bis Stich

Diese Solothurner waren schon mal Bundesrat

12.12.2023, 06:41 Uhr
· Online seit 12.12.2023, 05:37 Uhr
Seit dem Rücktritt von Otto Stich 1995, also seit 28 Jahren, wartet der Kanton Solothurn auf einen Bundesrat oder eine Bundesrätin. Seit 1848 gab es aber immerhin sechs Bundesräte aus dem Kanton Solothurn – und einen aus dem Oberaargau. Wir stellen sie vor.
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1: Der Pionier – Josef Munzinger

Mit der Gründung des Bundesstaats 1848 wurde der Bundesrat mit sieben Mitgliedern gewählt. Teil dieser ersten Regierung war auch der Oltner Martin Josef Munzinger, meist Josef Munzinger genannt. Wie alle Mitglieder des ersten Bundesrats war er ein Freisinniger.

Munzinger wurde 1791 in Olten geboren. Er kämpfte als Liberaler gegen die Konservativen im Kanton Solothurn, die 1814 nach den Wirren rund um Napoleon wieder die Macht übernommen hatten. 1830 war er die treibende Kraft beim Aufstand gegen die Solothurner Aristokraten und kämpfte für die Herrschaft des Volkes und die Rechte der Landbevölkerung. Später war er der Solothurner Vertreter in der Tagsatzung, der Zusammenkunft der Kantone und inoffiziellen «Regierung» der Schweiz.

Als die neue Verfassung 1848 verabschiedet war, wurde Munzinger im ersten Wahlgang in den Bundesrat gewählt. Als Finanzminister führte er 1850 den Schweizer Franken ein. Er litt zunehmend an Depressionen und verstarb 1855 im Amt. Noch heute ist er in Olten präsent, erinnert doch der Munzingerplatz an den ersten Solothurner Bundesrat.

2. Der Aussenseiter – Bernhard Hammer

Ebenfalls aus Olten stammt der zweite Solothurner Bundesrat, Bernhard Hammer. Er war von 1875 bis 1890 Bundesrat. Auch er ist in Olten weiterhin präsent, ein Bahnhof und ein Stadtteil im Westen der Stadt sind nach ihm benannt.

Bernhard Hammer wurde 1822 geboren und war Anwalt, Richter, Offizier und Diplomat. Ab 1868 war er Gesandter in Berlin. Ohne jemals dem National- oder Ständerat angehört zu haben, wurde Hammer 1875 in den Bundesrat gewählt. Er profitierte von Querelen innerhalb der verschiedenen Strömungen innerhalb der FDP und setzte sich als Kompromisskandidat schliesslich durch. Ihm fehlte aber in all seinen Jahren in der Landesregierung die politische Hausmacht.

Hammer war vorwiegend Finanzminister – anders als heute ein Amt mit wenig Prestige. 1881 verpasste er beinahe die Wiederwahl gegen seinen Solothurner Rivalen Wilhelm Vigier, nur eine Stimme Unterschied rettete Hammer das Amt. 1890 trat er freiwillig zurück und war anschliessend sechs Jahre im Nationalrat. Hammer war nach seiner politischen Karriere aktiv als Verwaltungsrat grosser Bahn-Unternehmen. Er starb 1907.

3. Der Hochtalentierte – Hermann Obrecht

Hermann Obrecht wurde 1882 in Grenchen geboren und legte eine steile schulische und politische Karriere hin. Obwohl Sohn einer armen Familie, wurde er nach Stationen als Lehrer, Journalist und Beamter schon mit 27 Jahren in den Solothurner Regierungsrat gewählt.

1917 wechselte er in die Bundespolitik und war gleichzeitig Verwaltungsrat verschiedener Firmen, unter anderem der Waffenfabrik Solothurn. Das trug ihm den wenig schmeichelhaften Titel des «Kanonenkönigs» ein. 1935 wurde Hermann Obrecht in den Bundesrat gewählt, obwohl er da schon seit sieben Jahren nicht mehr im Nationalrat war. Als Wirtschaftsminister oblag es Obrecht, die schwere Wirtschaftskrise in der Schweiz zu bekämpfen, was er unter anderem mit einer heftigen Abwertung des Frankens 1936 bewerkstelligte.

Obrecht war Bundesrat in den schweren Tagen im Juni 1940, als Nazi-Deutschland Frankreich besiegt hatte und Diktaturen die Schweiz umzingelten. Mit seinem berühmten Satz «Wir Schweizer werden nicht zuerst ins Ausland wallfahren gehen» stellte er sich gegen eine Annäherung an den Faschismus. Nach einem Herzinfarkt gesundheitlich schwer gezeichnet, trat Obrecht im Sommer 1940 zurück und verstarb kurze Zeit später erst 58-jährig.

4. Der Vater der AHV – Walther Stampfli

Auf den Solothurner Obrecht folgte 1940 umgehend der Kantons- und FDP-Parteikollege Walther Stampfli. Auch er war Wirtschaftsminister und hatte die schwere und für die Schweiz lebenswichtige Aufgabe, in den Kriegsjahren die Versorgung mit Lebensmitteln, Rohstoffen und Energie sicherzustellen.

Stampfli wurde 1883 in Büren im Schwarzbubenland geboren. Er war zunächst Journalist beim Oltner Tagblatt und machte dann Karriere in der Wirtschaft, unter anderem bei Von Roll in Gerlafingen, bei der Solothurner Kantonalbank und der Rentenanstalt.

Nach 25 Jahren im Solothurner Kantonsrat und neun Jahren im Nationalrat liess sich Stampfli 1940 eher widerwillig für den Bundesrat aufstellen und wurde wegen seines wirtschaftlichen Sachverstands problemlos gewählt. In den zähen Gesprächen mit den Achsenmächten (Deutschland und Italien) verhandelte Stampfli hart, direkt und autoritär. Obwohl ein klarer Gegner des Faschismus, musste er pragmatisch sein: «Mich interessiert es gar nicht, was unsere Nachkommen sagen werden. Mich interessiert vielmehr, was die heutige Generation sagen würde, wenn sie keine Kohle und nichts zu essen hätte.»

Nach dem Krieg trieb Stampfli energisch die Einführung der AHV voran, was ihm schliesslich gelang – 80 Prozent der (männlichen) Bevölkerung stimmte dem Gesetz zu. Stampfli gilt denn auch als «Vater der AHV». Nach diesem Erfolg trat Stampfli Ende 1947 aus dem Bundesrat zurück und widmete sich wieder seiner Tätigkeit in der Wirtschaft, etwa bei Von Roll, bei der Papierfabrik Biberist oder der Schuhfabrik Bally in Schönenwerd. Walther Stampfli starb 1965.

5. Der Populäre – Willi Ritschard

Waren bisher alle Solothurner Bundesräte Freisinnige, waren die beiden bisher letzten Sozialdemokraten. Einer davon ist der noch heute legendäre Willi Ritschard, Heizungsmonteur aus Luterbach. Er gilt als erster und bisher einziger «Büezer» im Bundesrat und war wegen seiner humorvollen, volksnahen Art in der Bevölkerung ungeheuer populär, vergleichbar wohl noch am ehesten mit Adolf Ogi.

Willi Ritschard wurde 1918 in Deitingen geboren. Seine politische Karriere war die traditionelle «Ochsentour», vom Gemeindrat und Gemeindepräsidium in seiner Wohngemeinde Luterbach über den Kantonsrat und Nationalrat in den Solothurner Regierungsrat – und 1973 in den Bundesrat. Dort war Ritschard zunächst Verkehrs- und Energieminister, ab 1980 für drei Jahre Finanzminister. Kurz nach der Ankündigung seines Rücktritts im Herbst 1983 verstarb Ritschard auf einer Wanderung im Jura an Herzversagen.

Eine Auswahl von Ritschards Bonmots:

  • «Auf hundert Besserwisser gibt es nur einen Bessermacher.»
  • «Die Schweizer sind ein Volk, das früher aufsteht, aber spät erwacht.»
  • «Was nützt der Tiger im Tank, wenn ein Esel am Steuer sitzt?»
  • «In den Diktaturen darf man nichts sagen, muss alles nur denken. In der Demokratie darf man alles sagen, aber keiner ist verpflichtet, sich dabei etwas zu denken.»

6. Der eiserne Kassenwart – Otto Stich

Nach dem Tod von Willi Ritschard erwarteten grosse Teile der Schweizer Bevölkerung, dass endlich die erste Frau in den Bundesrat gewählt wird. Die SP stellte Lilian Uchtenhagen auf, doch in der legendären «Nacht der langen Messer» zauberten die Bürgerlichen den Solothurner Otto Stich aus dem Hut, der prompt gewählt wurde. Dabei war Stichs Zeit in der Politik eigentlich schon abgelaufen, er hatte nach 20 Jahren im Nationalrat bei den Wahlen 1983 nicht mehr kandidiert.

Stich war ein Schwarzbube, er wurde 1927 geboren. Seine politische Karriere startete er in Dornach. Beruflich war Stich Gewerbeschullehrer. Während seiner Zeit im Nationalrat stieg er bei Coop Schweiz zum Personalchef und Mitglied der Direktion auf.

In seinen zwölf Jahren im Bundesrat war Stich stets Finanzminister. Er schaffte dabei das Kunststück, mit eiserner Disziplin die Bundeskasse vor Abenteuern zu bewahren und gleichzeitig bei der sozialdemokratischen Basis beliebt zu sein. Obwohl gegen den Willen seiner Partei gewählt, wurde er bald zur Ikone der SP, bis zu seinem Rücktritt 1995.

Legendär war die gegenseitige Abneigung mit dem jovialen Adolf Ogi – Stich war das genaue Gegenteil, ein Mann von trockenem Humor, wenig Pathos, aber dennoch voller politischer Leidenschaft. Bei der Verteidigung des Budgets im Ständerat hat Stich einmal geweint.

Nach seiner Zeit im Bundesrat zog sich Otto Stich nicht aufs Altenteil zurück, sondern meldete sich weiterhin politisch zu Wort, wenn er es für nötig hielt. Er starb 2012.

7. Kein Solothurner, aber der einzige Oberaargauer: Johann Schneider-Ammann

Der Oberaargau war bisher erst mit einer Person im Bundesrat vertreten, mit dem FDP-Bundesrat Johann Niklaus Schneider-Ammann. Er wurde 2010 gewählt und trat Ende 2018 zurück.

Schneider-Ammann wurde 1952 geboren und wuchs in Affoltern im Emmental als Sohn eines Tierarztes auf. Er heiratete die Langenthaler Industriellentochter Katharina Ammann und stieg nach und nach zum Patron des Unternehmens auf. Auch in vielen anderen wichtigen Firmen, im Dachverband Economiesuisse und als Oberst im Militär, engagierte sich Schneider-Ammann in führenden Positionen.

1999 wurde Schneider-Ammann in den Nationalrat gewählt. Nach dem Rücktritt von Hans-Rudolf Merz setzte sich der Langenthaler in der Ersatzwahl gegen Karin Keller-Sutter durch und wurde zusammen mit Simonetta Sommaruga von der SP in die Landesregierung gewählt. Dort bekleidete er das Amt des Wirtschaftsministers. Schneider-Ammann lebt weiterhin in Langenthal, wo er Ehrenbürger ist und mit dem «Johann Niklaus Schneider-Ammann Platz» im Stadtzentrum verewigt wurde.

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veröffentlicht: 12. Dezember 2023 05:37
aktualisiert: 12. Dezember 2023 06:41
Quelle: 32Today

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