Ein junger Mann, nennen wir ihn Leo, missbrauchte in der Zeit von November 2012 bis Sommer 2014 seine viereinhalb Jahre jüngere, minderjährige Halbschwester Jill (beide Namen geändert) mehrfach. Die Taten passierten in der gemeinsamen Wohnung der Patchworkfamilie. Leo sei in der Zeit der engste Vertraute von Jill gewesen, schreibt die Solothurner Zeitung. Deshalb habe sie die sexuellen Übergriffe zugelassen, weil sie fürchtete, nicht mehr als Schwester betrachtet zu werden oder dass die Familie auseinanderbrechen könnte.
Urteil am Amtsgericht vor einem Jahr
Das Amtsgericht Solothurn-Lebern hatte Leo im letzten Jahr wegen mehrfacher sexueller Handlung mit einem Kind, wegen Versuchs dazu und wegen mehrfacher Pornografie schuldig gesprochen. Auf seinem Handy hatte der Mann neben zwei Nacktfotos von Jill auch Hunderte Bilder oder Videos mit sexuellen Handlungen von Erwachsenen mit Tieren. Das Urteil lautete auf eine teilbedingte Freiheitsstrafe von 30 Monaten, einer bedingten Geldstrafe von 4000 Franken und einer Genugtuungs-Zahlung an seine Halbschwester von 12'000 Franken.
Gegen dieses Urteil haben Leo und die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Er verlangte einen Freispruch, die Anklage eine um zwei Monate höhere Freiheitsstrafe. Der Verteidiger des Angeklagten sagte, es sei unklar, wie viele Übergriffe tatsächlich stattgefunden hätten. Dazu versuchte er, Jill als unglaubwürdig darzustellen. Er deutete an, sie habe die Missbräuche verwechselt, weil sie auch von Leos Bruder sexuell missbraucht worden war.
«Jede junge Frau will sich durchs Posten von sexuellen Taten interessant machen»
Dass Jill schon lange vor ihrer Anzeige ihren Freundinnen gegenüber via WhatsApp von Leos Handlungen berichtet hatte, bezeichnete Schnyder als erfunden: «Heutzutage will sich jede junge Frau interessant machen durchs Posten sexueller Taten.»
Die pornographischen Bilder auf dem Handy von Leo erklärte sein Verteidiger mit der automatischen Abspeicherung aus «Spass-Chatgruppen». Er legte dem Gericht ein paar Bilder vor, die Jill angeblich sexualisiert zeigen sollten. Die im Gericht anwesende Frau erklärte, die Person auf dem Foto sei nicht sie. Auch ihre Anwältin äusserte Zweifel.
Milderes Urteil auch wegen trödelnden Behörden
Das Solothurner Obergericht senkte in seinem Urteil das Strafmass gegen Leo deutlich. Es verurteilte ihn zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten, einer ebenfalls bedingten Geldstrafe von 600 Franken und einer Genugtuung an Jill von 7000 Franken. Begründet wurde das mildere Urteil durch die tiefere Anzahl der geschätzten Übergriffe gegenüber der Vorinstanz.
Eine Strafreduktion gab es auch, weil schon zwei Drittel der Verjährungsfrist abgelaufen sind und die Behörden trödelten. Das Gericht bestand übrigens nur aus Männern, bei der Vorinstanz sass immerhin eine Frau im Richtergremium.
(SZ/ma)
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