Quelle: Tele M1 / Adrian Remund / CH Media Video Unit / Linus Bauer
Das dreiköpfige Gericht beschritt mit seinem Urteil gegen den geständigen und reuigen Mann einen Mittelweg. Die Staatsanwaltschaft hatte wegen Mordes eine Freiheitsstrafe von 16 Jahren gefordert.
Verteidiger Oliver Wächter plädierte auf Totschlag. Das Gericht solle eine Busse aussprechen. Die Verteidigung bezeichnete den 60-Jährigen im Prozess vergangene Woche als «egoistischen Triebtäter».
Das Verschulden des 28-jährigen Täters sei «mittelschwer», sagte der Gerichtspräsident am Freitag in der Urteilsbegründung. Es habe seit dem elften Lebensjahr einen schweren sexuellen Missbrauch durch das spätere Opfer gegeben. Der 28-Jährige habe sich dafür geschämt, und niemand habe ihm helfen können. Das habe massive Auswirkungen auf sein Leben gehabt.
Täter wurde als Kind jahrelang sexuell missbraucht
Die Tat geschah im September 2022. Damals wurde das 60-jährige Opfer vom heute 28-Jährigen erst mit Händen und Füssen geschlagen, dann schoss er mit dem Revolver des Bestatters auf dessen Unterleib. Gefunden wurde die Leiche an der Aare, nur mit einem Abfallsack bedeckt. Der Mann war dort verblutet.
Quelle: Tele M1 (Archivbeitrag vom 14.8.2024)
Beim Prozess wurde bekannt, dass der junge Täter vom späteren Opfer als Kind jahrelang sexuell missbraucht worden war. Dafür erhielt er Alkohol und Cannabis. Der 28-Jährige ist geständig. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von 16 Jahren wegen Mordes gefordert.
Opfer schoss zuerst zwei Mal
Für das Richteramt steht fest, dass insgesamt drei Schüsse gefallen waren. Die ersten zwei Schüsse hatte das spätere Opfer aus seinem Revolver abgefeuert. Die beiden Männer waren in Streit geraten - wegen jahrelanger sexueller Ausbeutung und Vergewaltigung. Gemäss Gericht bestand zu diesem Zeitpunkt eine Notwehrlage.
Es kam auch zu einer Rangelei. Der 28-Jährige malträtierte den 60-Jährigen massiv - und feuerte letztlich einen Schuss in dessen After. Das Opfer verblutete langsam.
Der Mann handelte laut Gericht nicht aus Rache, sondern es war «eher eine spontane Tat». Es habe auch keine Vorbereitungshandlungen gegeben. Daher sei die Tötung nicht als Mord zu qualifizieren. Der Tot des Opfers sei jedoch in Kauf genommen worden.
Die Tötung sei nicht der einzige Ausweg gewesen, hielt der Gerichtspräsident fest. Das spätere Handeln sei nicht mehr gerechtfertigt gewesen - die Tritte und Schläge gegen das Opfer sowie der Schuss. Dem Opfer seien fast alle Rippen gebrochen worden. Zuerst habe es Notwehr gegeben, dann Wut und Rache, sagte er.
Fall kommt wohl vor Obergericht
Das Urteil gegen den 28-Jährigen, der dem Schuldspruch fast ohne äussere Regung zuhörte, ist noch nicht rechtskräftig. Das Urteil kann an das kantonale Obergericht weitergezogen werden. Der Mann, der 256 Tage in Untersuchungshaft sass, bleibt auf freiem Fuss. Der Gericht verzichtete auf die Anordnung einer Sicherheitshaft.
Verteidiger Oliver Wächter sagte in einer Stellungnahme gegenüber Tele M1, das Urteil sei massiv zu hoch ausgefallen. Man müsse berücksichtigen, was dem Mann alles widerfahren sei. Dieser sei 15 Jahre lang schwerst sexuell missbraucht worden. Er werde für seinen Mandanten sicherlich Berufung einlegen.
Staatsanwältin Regula Echle sagte im Gespräch mit Tele M1, sie nehme zur Kenntnis, dass das Gericht den Sachverhalt bestätigt habe. Das Gericht habe den Sachverhalt rechtlich jedoch anders gewürdigt. Wichtig für den Mann sei, dass der jahrelange sexuelle Missbrauch anerkannt worden sei.
(red./sda)