Es sei das «das schönste Projekt, das ich in meiner Laufbahn realisieren durfte», sagt Bell-Chef Lorenz Wyss gegenüber der Handelszeitung. In Oensingen hat er einiges vor. Neben dem Neubau wird ein «Slicer-Zentrum» für die Zerlegung und Verpackung von Koteletts, Kutteln und Kalbsfilets errichtet, dazu ein Logistikbau – das Investitionsvolumen beträgt über die Jahre 600 Millionen Franken.
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«Kuhflüstererin» aus Colorado berät Bell
Wyss gibt sich gegenüber der Zeitung als Verfechter des Tierwohls. Er kenne die Fleischverarbeiter in anderen Ländern wie Brasilien, USA, Australien, Irland oder Deutschland. «Da ist das Tier kein Tier mehr, sondern eine Ware», sagt er, und will in Oensingen alles besser machen. Deshalb hat er sich Hilfe von Temple Grandin geholt.
Grandin gilt als «Kuhflüstererin aus Colorado» und berät Bell beim Neubau in Oensingen. In den USA ist bereits gegen ein Drittel aller Schlachthöfe nach den Empfehlungen der renommierten Tierforscherin umgebaut. «Wir müssen uns in die Psyche der Tiere hineindenken, um das Leiden zu minimieren», sagt sie gegenüber der Handelszeitung.
Klimatisiert in den Tod
In Oensingen entsteht deshalb gerade der erste klimatisierte Schlachthof der Schweiz. Die Tiere sollen so im Sommer aus der Hitze in einen kühlen Stall kommen – das beruhigt, weiss Grandin. Stress ist der Feind in jedem Schlachthof. Deshalb hat die neue Schlachtstrasse auch eine leichte Steigung, denn Kühe fühlen sich beim Bergaufgehen sicherer. Zudem darf der Boden im Schlachthof nicht glitschig sein, muss überall die gleiche Farbe haben, soll Geräusche dämpfen und das Licht nicht verstärken. Dieses soll möglichst senkrecht von oben kommen, denn Kühe sehen schlecht und brauchen lange, um bei einem Schattenwurf Konturen zu erkennen.
Aromatherapie und Musik
Auch das Töten will richtig gemacht sein. Der Bolzenschuss müsse, um dem Tier Leid zu ersparen, zu 95 Prozent perfekt sitzen, sagt Grandin. «Noch besser sind 99 Prozent.» Damit beim Schuss kein Geräusch entsteht, das die übrigen Tiere verängstigen könnte, ist der Antrieb hydraulisch. Hintergrundgeräusche seien nur dann sinnvoll, wenn die Tiere sie schon aus ihrem Stall kennen. Sonst seien die Geräusche kontraproduktiv und sorgten für Unruhe, weiss sie aus Erfahrung.
Temple Grandin lässt bei ihrer Suche nach mehr Tierwohl in der Fleischverarbeitung nichts unversucht. Auch mit Aromatherapie hat sie in einem Betrieb in Australien schon experimentiert. Und mit Musik. «Acid Rock oder Country Music sind ungeeignet», weiss Grandin.
Die Roboter sind bereits im Anmarsch
Doch nicht nur für die Tiere soll das Schlachten angenehmer werden, auch für die Mitarbeiter, so Lorenz Wyss gegenüber der Handelszeitung. Klimatisierte Arbeitsplätze und hydraulische Schneider, die keinen mehr Lärm machen, sollen den Beruf auch für die Gen-Z attraktiv machen. Denn noch braucht es Handarbeit beim Ausbeinen, zu viel Fleisch ginge sonst verloren.
Doch die Zukunft sieht anders aus, wie ein Blick in die USA verrät. Dort sind auch bei der Verarbeitung von Rindern heute bereits Roboter im Einsatz. Die Betonsockel für die Maschinen, die die Handarbeit erleichtern oder ganz ersetzen sollen, sind in Oensingen schon gegossen.
(Handelszeitung/dl)