Solothurnerin erzählt

Das Geschäft mit der Aufmerksamkeit – wie Instagram zum Stress werden kann

· Online seit 27.03.2024, 13:07 Uhr
Social Media ist mehr als nur Zeitvertreib – sondern manchmal auch harte Arbeit. Die Solothurner Kleinunternehmerin Thuy-Minh schreibt über Lust und Frust auf Instagram und trifft damit den Nerv der Zeit. Ein Kommentar.
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Der Original Post von Thuy-Minh

Thuy-Minh ist Solothurnerin, Mami von zwei Jungs und Unternehmerin. An der Löwengasse betreibt sie den Concept Store «Minhature» mit Kleidern, Schmuck, Accessoires, Keramik und Pflegeprodukten. Instagram ist für sie dabei ein wichtiges Instrument, um ihre Kunden zu erreichen. Doch allmählich wird es zur Last. In einem ihrer letzten Posts schreibt sie:

Social Media frisst Lebenszeit – und das nicht zu knapp

Einen Instagram-Kanal professionell betreiben bedeutet viel Aufwand. Gerade für Kleinunternehmen ist das eine hohe Belastung, da die Zeit ein knappes Gut ist. Wer nicht regelmässig etwas postet, wird von der Community, aber vor allem vom Algorithmus, bestraft. Die Folge: Man verbringt Stunden mit der Bearbeitung von Bildern, Videos und Posts - Zeit, die man eigentlich für andere Aufgaben gebrauchen könnte. Die Tage werden länger und länger. Instagram verzeiht nicht. Es verlangt nach neuen Inhalten. Immer und überall. Und es will, dass du dir die Inhalte auch anschaust. Möglichst viele und möglichst lange. Das merkt auch Thuy-Minh:

Wer hat denn schon Zeit, sich in Ruhe «alles» auf Instagram anzuschauen? Aufmerksamkeit ist ein knappes Gut. Und sie ist bares Geld wert. Instagram verdient damit Geld – und das nicht zu knapp (geschätzt über 50 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr 2022). Wer seine Freunde und Follower dazu aufruft, seine Inhalte zu konsumieren, zu liken und zu teilen, ist ein gratis Werbeverkäufer von Instagram. Instagram ist «gratis» – bezahlt wird mit Aufmerksamkeit, mit persönlichen Daten, mit Lebenszeit. Wie fühlst du dich, wenn du eine Stunde auf Instagram verbracht hast? Erfüllt? Oder vielleicht doch eher etwas leer?

Dazu sollte man vielleicht wissen, das die Anzahl Likes nicht der entscheidende Faktor ist, an dem der Erfolg auf Social Media gemessen wird. Entscheidend ist die sogenannte Reichweite. Also: Wie viele Leute haben meinen Beitrag gesehen? Ein Post, der wenig Likes hat und wenig geteilt wurde, den aber viele Personen gesehen haben (ja, das gibt es!), ist erfolgreicher als einer, der zwar viele Likes, aber wenige User erreicht hat (auch das gibt es öfter als du denkst).

Die Rolle des Geldes 

Die Reichweite ist die Währung auf Social Media. Und sie lässt sich kaufen. Es ist kein Zufall, dass nur ein kleiner Teil deiner Follower deine Beiträge sieht. Soll der Post mehr Leute erreichen, dann möchten Zuckerberg und Co., dass du in deine Taschen greifst und dafür bezahlst. Und so kann es sein, dass ein an und für sich guter und ansprechender Post nur wenige User erreicht. Schlicht und einfach deshalb, weil er vom Algorithmus (eine Art geheime Anleitung, die entscheidet, was dir angezeigt wird) nicht berücksichtigt wurde. Am Ende machen sich Menschen wie Thuy-Minh verrückt, zweifeln an ihren Produkten und Kompetenzen, nur weil sie den Instagram-Algorithmus nicht ausreichend mit Geld füttern.

Thuy-Minh hat erkannt, dass zu viel Social Media ihr nicht gut tut. Und doch hat sie das Gefühl, mit ihrem Laden darauf angewiesen zu sein, kann sich nicht davon befreien. Damit ist sie nicht alleine. Studien weisen auf einen Zusammenhang zwischen hohem Social Media-Konsum und depressiven Verstimmungen hin. Social Media ist ein knallhartes Business. Das ist bei vielen noch nicht ganz angekommen. Zu verführerisch und verspielt ist die Fassade, zu verlockend sind die Inhalte.

Facebook, Google und Co. fordern ihren Tribut

Wer Thuy-Minh wirklich helfen möchte, der besucht sie in ihrem Laden an der Löwengasse in Solothurn und kauft eines ihrer Produkte. Wer ihre Posts auf Instagram liked und nie im Laden vorbeischaut, der hilft in erster Linie Instagram (also letztlich Mark Zuckerberg). Und macht Thuy-Minh müde. Da hilft es auch nicht, dass der Post mit der Insta-Kritik erfolgreicher ist als alle ihre anderen Posts zu den Produkten.

Thuy-Minh hat übrigens auch einen Webshop. Davon profitiert die andere grosse Datenkrake im Online-Geschäft: Alphabet, sprich Google. Damit der Webshop in der Suchmaschine prominent angezeigt wird, muss Thuy-Minh bezahlen. Wer heutzutage Geschäfte machen will,  kommt um die beiden Tech-Giganten Meta und Alphabet nicht herum. Bezahlt wird mit Zeit oder Geld. Oder beidem. Das ist an und für sich nicht das Problem. Werbung hat ihren Wert und ihren Preis. Das war schon immer so. Das Problem ist, dass Thuy-Minh (und wir alle) dabei zwei US-amerikanischen Grosskonzernen ausgeliefert sind.

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veröffentlicht: 27. März 2024 13:07
aktualisiert: 27. März 2024 13:07
Quelle: 32Today

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