In Solothurn kommen unschöne Erinnerungen hoch. Noch in den 90er-Jahren gab es in der Stadt eine offene Drogenszene. Wo heute die Hafenbar und das Aaremüürli zum Apéro einladen, wurde früher Heroin gespritzt. Gespritzt wird in Solothurn heute kaum noch. Doch es wird Crack geraucht, was das Zeug hält – mit noch ungeahnten Folgen.
Crack ist das neue Heroin, nur viel schlimmer
Kokain kennen die meisten wohl aus Filmen wie «Wolf of Wall Street», als weisses Pulver, das in die Nase gezogen wird. Die Drogenabhängigen konsumieren jedoch lieber Crack, die rauchbare Form von Kokain, und zwar zu schätzungsweise 90 Prozent.
Woher kommt dieser Crack-Trend und weshalb führt er dazu, dass auch in Kleinstädten wie Solothurn eine offene Drogenszene entsteht? Sybilla Motschi ist Leiterin der Kontakt- und Anlaufstelle für Drogenabhängige in Solothurn. «Mit dem Wechsel von Heroin zu Kokain resp. Crack fallen die suchtkranken Menschen wieder mehr auf», sagt sie.
Crack-Konsum in Solothurn und Grenchen nimmt stetig zu
Das öffentliche Konsumieren von Heroin habe man in den 90ern mit neuen Angeboten wie der Kontaktstelle in den Griff bekommen. Beim Crack sieht das anders aus, auch wenn man noch lange nicht am selben Punkt ist wie vor 30 Jahren. Das hat laut Motschi verschiedene Gründe. Zum einen fehlt ein zugelassenes Substitutionsmittel wie das Methadon beim Heroin. Zum anderen wirkt Crack total anders als Heroin. Heroin wirkt beruhigend und über Stunden. Bei Crack und Freebase ist die Wirkung eher aufputschend und nimmt sehr schnell wieder ab.
Die Folge davon ist, dass die Abhängigen immer auf der Suche nach dem nächsten Crack-Steinchen sind und dabei in der Öffentlichkeit ein auffälliges Verhalten an den Tag legen (weniger Hemmungen, mehr Aggressivität). Zu führt der Konsum von Crack häufig auch zu psychotischen Episoden bei den Betroffenen.
«Peak noch nicht erreicht»
Angestiegen ist vor allem die Menge an Crack, die in Solothurn konsumiert wird. Der Anstieg sei in den letzten Jahren konstant und deutlich spürbar. «Bis jetzt haben wir den Peak noch nicht erreicht», gibt Motschi zu bedenken. Mitte 2023 wurde in der Solothurner Anlaufstelle pro Monat rund 3500 Mal Crack geraucht. Anders sieht es bei der Anzahl Süchtigen aus. Da gibt es laut Motschi zwar auch einen Anstieg, aber nur einen leichten. Eine Trendumkehr ist derzeit nicht absehbar.
Wie konnte es soweit kommen?
Um die aktuelle Situation zu verstehen, muss man ungefähr 20 Jahre zurückgehen. Damals wurde der Drogenmarkt in der Schweiz mit Kokain geflutet. Heute ist Kokain überall und jederzeit in grossen Mengen verfügbar. Der Markt spielt, die Preise sinken. «Durch die tiefen Preise ist die Droge plötzlich erschwinglich», erklärt Motschi den Anstieg.
Andererseits sei die Attraktivität der Droge auch ein Zeichen der Zeit. In unserer Leistungsgesellschaft sind die Wirkungen von Kokain (siehe Kasten oben) verlockend. «Kokain wird heute in allen Schichten und Berufsgruppen konsumiert. Der Konsum in der Schweiz hat enorm zugenommen, das zeigen die Abwasserproben.»
Vor Zürich, Basel und Bern
Was für die Schweiz gilt, gilt hierbei für den Raum Solothurn. Der hiesige Crack-Messwert hat den Schweizer Durchschnitt im letzten Quartal 2023 überholt. Die Politik ist bereits alarmiert. In einer Stellungnahme vom letzten November schreibt der Solothurner Regierungsrat, dass «diese Entwicklung eine hohe Aufmerksamkeit erfordert.» Wer sehen will, wohin die Entwicklung führen kann, braucht nicht weit zu gehen. Im Kanton Aargau haben sich an verschiedenen Bahnhöfen bereits offene Drogenszenen gebildet, weil dort geschützte Konsumräume komplett fehlen. In Olten platzt das Lokal der Suchthilfe Ost deswegen allen Nähten und muss Süchtige aus dem Aargau wegschicken.
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