Aufstieg

Sascha Friederich aus Bellach: «Ich hätte nie gedacht, dass ich es so weit schaffen würde»

Selina Koch, 9. Mai 2023, 12:31 Uhr
Von der Anlehre zum Geschäftsführer der Saudan AG: Sascha Friederich aus Bellach ist das Vorzeigebeispiel dafür, dass trotz schwierigem Start in die Berufswelt alles möglich ist. Früher war er das «spezielle» Kind, heute ist er der Chef von 50 Mitarbeitenden.
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Sehr schwierige Familienverhältnisse, ADHS-Diagnose und Sonderschüler – der 33-jährige Sascha Friederich hatte es nicht leicht im Leben. Der gebürtige Bellacher erzählt uns im Interview, wie er es trotz allen Hindernissen zur Chef-Position in der Saudan AG geschafft hat.

Als du sechs Jahre alt warst, haben sich deine Eltern aufgrund der Drogenabhängigkeit deines Vaters getrennt. Wie hat sich dies auf die Schule ausgewirkt?

Das hat mich schulisch stark gebremst. Ich hatte Konzentrationsschwierigkeiten und war mit den Gedanken immer woanders. Schliesslich wurde ich mit ADHS diagnostiziert. Ab der 3. Klasse wurde ich aufgrund meiner Diagnose in die Kleinklasse eingestuft. Danach bin ich von der 7. bis zur 9. Klasse in die Werkklasse gegangen. Als sogenannter «Sonderschüler» ist man sehr schnell anders angeschaut worden und war das «spezielle Kind».

Wie bist du mit dieser schwierigen Situation umgegangen?

Das Umfeld war sehr wichtig. Meine Mutter hat uns immer den Rücken gestärkt. Obwohl sie 100 Prozent gearbeitet hat, war sie immer für uns da. Bekannte und Verwandte haben uns auch immer unterstützt.

Hattest du Schwierigkeiten eine Lehre zu finden?

Ich habe etwa an zehn verschiedenen Orten geschnuppert und habe gut 20 Bewerbungen verschickt. Vielfach wurde ich aber schnell abgewimmelt. Beim Schnuppern habe ich zwar eine verhältnismässig gute Leistung erbracht, aber ich erhielt nicht die Chance, eine Lehre machen zu können. In vielen Betrieben wurde eine Anlehre nie thematisiert. Schliesslich hatte ich nur ein einziges Bewerbungsgespräch, nämlich dort, wo ich dann die Ausbildung machen konnte.

Die Werkstatt der Saudan AG mit dem vorgefertigten Material.

© 32Today

Was ist der Unterschied zwischen einer EBA-Lehre und einer herkömmlichen Lehre?

Die EBA-Lehre geht nur zwei Jahre und ist eine vereinfachte Version einer Lehre. Man kann langsamer starten und hat unter schwierigen Verhältnissen einen leichteren Start. Sie bietet eine sehr gute Grundlage, um danach in die «normale» Lehre einzusteigen. Mit einer EBA-Lehre ist alles möglich. Die Durchlässigkeit unseres Bildungssystems öffnet einem alle Türen, wenn man es wirklich will. In einer Berufswelt wie heute, wo Fachkräfte gesucht sind und sehr viele Weiterbildungsmöglichkeiten angeboten werden, hat man die Chance aufzusteigen.

Gab es auf deinem beruflichen Weg viele Stolpersteine zu überwinden?

Aufgrund der schulischen Leistungen bin ich nicht überall mit offenen Armen empfangen worden. Ich musste mich immer stark beweisen und Leistung zeigen, daran wurde ich gemessen.

Was hat dich motiviert, trotz Schwierigkeiten weiterzumachen?

Während der Lehre, die ich im Anschluss an die Anlehre gemacht habe, konnte mir mein Ausbildner im Betrieb sehr viel Fachwissen mitgeben. Viele aus der Berufsschulklasse sind bei Unsicherheiten auf mich statt auf den Lehrer zugegangen. Da habe ich zum ersten Mal gemerkt, dass ich etwas kann und wertgeschätzt werde. Das war definitiv ein Motivationsschub.

Jährlich schliessen im Kanton Solothurn nur vier Lehrlinge die Spengler-Lehre ab. Schweizweit herrscht ein grosser Mangel an Spengler-Lehrlingen.

© 32Today

Wie hast du es trotz Anlehre geschafft, Geschäftsführer der Saudan AG zu werden?

Es war ein langer Weg: 18 Jahre Berufserfahrung und nebenbei 14 Jahre Ausbildung. Es hat sehr viel mit Ehrgeiz und Willen zu tun. Manchmal braucht es auch etwas Glück, die richtigen Leute um sich zu haben, die einen unterstützen. Ich hätte nie gedacht, dass ich es so weit schaffen würde. Ich habe mir immer eigene Ziele gesetzt und bin dadurch vorangekommen. Manchmal war auch ein bisschen Vitamin B nötig, damit sich Türen öffneten.

Hast du einen guten Tipp für jemanden in einer EBA-Lehre?

Zeigt Interesse und Motivation! Man muss sich einsetzen und sich nicht zu schade sein, die Finger dreckig zu machen. Man sollte die eigenen Stärken kennen und diese am richtigen Ort einsetzen.

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Quelle: 32Today
veröffentlicht: 8. Mai 2023 07:54
aktualisiert: 9. Mai 2023 12:31