Ruedi Nützi ist Dozent für Leadership und Kommunikation an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW und Trainer für Firmen im Bereich Führung und Unternehmenskultur. Sein neues Buch «Wo wir gerne arbeiten» ist diesen Frühling herausgekommen.
Today: Warum haben Sie ein Buch geschrieben zum Thema, wo wir gerne arbeiten und wo nicht?
Ich bin in der KMU-Wirtschaft zu Hause, und das Bild der Wirtschaft bei den Leuten hat in letzter Zeit gelitten, vor allem wegen Exzessen in den Grossfirmen. Die solide Arbeit von tausenden KMUs während Jahrzehnten wird zu wenig geschätzt.
Was ist denn eigentlich «Unternehmenskultur»?
Es ist das Betriebsklima, die Grundenergie in einer Firma. Und anders als viele denken, ist Unternehmenskultur kein «nice to have», sondern die Basis. Denn zufriedene Mitarbeitende ergeben zufriedene Kundschaft, und zufriedene Kundschaft führt zu einem guten finanziellen Ergebnis.
Umfragen zeigen, dass viele Mitarbeitende nicht zufrieden sind an ihrem Arbeitsplatz...
Das stimmt. Heute können sich die Leute ihren Job oft aussuchen. Die Firmen kämpfen um Mitarbeitende und müssen schauen, dass sie ein Klima und eine Kultur anbieten, die die Leute attraktiv finden.
Welche Fehler machen Firmen oft?
Früher war ein häufiger Führungsgrundsatz, der Mitarbeitenden vermittelt wurde: «Wenn du nichts hörst, ist es ok». Das geht heute nicht mehr. Die Leute wollen eine Rückmeldung, wollen gesehen und wertgeschätzt werden. Das Klima hängt aber nicht nur von den Chefinnen und Chefs ab: Alle Mitarbeitenden tragen jeden Tag mit ihrem Verhalten zum Klima im Betrieb bei.
Aber in der Schweiz wird doch pausenlos gemotzt über unfähige Chefs?
Klar, das ist ein Stück weit menschlich. Wichtig ist, dass man die Kritik adressiert und nicht nur am Kaffeeautomaten über Leute herzieht, die es oben nicht können. Wenn man die Kritik angebracht hat und sich nichts ändert – dann musst du gehen.
Was sind Strategien, um ein Betriebsklima oder eine Kultur zu verbessern?
Manchmal gibt es dicke Luft. Das gibt es überall, zum Beispiel wenn Konflikte unter den Leuten schwelen. Dann ist es wichtig, diese Konflikte anzusprechen und anzugehen. Zweitens können sich heutzutage in vielen KMUs die Leute in einem geschützten Rahmen austauschen und offen darüber reden: Was machen wir gut, was nicht? Das braucht nicht viel Zeit, aber intern Kritik üben zu können, bringt eine Firma weiter. Drittens muss man als vorgesetzte Person Wertschätzung zeigen. Das heisst nicht, pausenlos Komplimente zu verteilen. Es heisst: Ich sehe was du machst und sehe, wenn es gut ist.
Wie schnell kann man eine Unternehmenskultur verbessern?
Man kann das Betriebsklima innert weniger Tage umkehren. Es muss einem nur bewusst sein, dass die Kultur entscheidend ist, ob die Leute in einer Firma bleiben und gesund sind, oder ob die Kultur krank macht. Es gibt mir zu denken, dass so viele Leute nicht gerne arbeiten gehen aufgrund von Kleinigkeiten, die man einfach umkehren könnte.
Sind die Mitarbeitenden für ein gutes Betriebsklima zuständig oder die Chefs?
Beide. Es muss aber von oben vorgelebt werden. Ich war letzte Woche mit meinen Studenten in einer Firma zu Besuch, und der CEO und Inhaber sagte: Ein Tag, an dem ich nicht kritisiert werde, ist kein guter Tag. Das fand ich bemerkenswert. Die Message ist, dass es erwünscht ist, wenn man sich als Mitarbeiter einbringt. Zu hören, was nicht gut läuft, braucht als Vorgesetzter Grösse. Normalerweise ist man als Chef zufrieden, wenn man keine Beschwerden hört.
Viele Leute halten lieber still als zu kritisieren, man gilt schnell als «Stinkstiefel»...
Das ist so, man kann dem Angstkultur sagen. Es gibt Firmen, in denen in der einen Abteilung eine produktive, angenehme, wertschätzende Kultur herrscht, die die Leute weiterbringt. Und fünf Meter weiter hat man in einem anderen Büro, einem anderen Team, eine Angstkultur. Und das geht eigentlich nicht.
Ruedi Nützi hat in seinem Buch mehrere erfolgreiche Firmen und ihre Unternehmenskultur beschrieben, darunter die Confiserie Suteria, das Auto-Startup Carvolution und die Glacefabrikantin Kalte Lust. Zu lesen demnächst im zweiten Teil dieses Artikels.
Kennst du Betriebe mit guter oder schlechter Unternehmenskultur? Schreib uns dein Beispiel in die Kommentare.
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