Eine unsinnige Besonderheit unserer Hockey-Bürokratie verlangt von den Klubs der zweithöchsten Liga, ein Aufstiegsgesuch einzureichen. Lange bevor überhaupt klar ist, ob es sportlich reichen wird, muss ein offizielles Bekenntnis zum Aufstieg gemacht werden.
Der EHC Olten reicht auch diese Saison ein Aufstiegsgesuch ein. In Olten ist eigentlich allen klar, dass inzwischen ein Aufstieg weder möglich noch finanzierbar ist. Oltens Aufstiegsgesuche mahnen inzwischen – um es politisch etwas unkorrekt auszudrücken und wofür sich der Chronist sogleich entschuldigt – an einen Gatten, der nicht mehr an seine Ehe glaubt, aber seiner Angetrauten immer wieder versichert, er liebe sie. Um sie bei Laune zu halten.
Das Aufstiegsgesuch ist eine Farce
Oltens Aufstiegsgesuch ist, bei Lichte besehen, eine Farce. Aber das Gesuch wird eingereicht, um das Publikum bei Laune zu halten. Inzwischen macht der EHC Olten Jahr für Jahr eine Million minus. Mit einem Team, das im Falle eines Aufstieges noch weniger konkurrenzfähig wäre als Ajoie.
Präsident Marc Thommen fürchtet den Aufstieg richtigerweise wie der Teufel das geweihte Wasser. Weil er dann mit seiner Männerrunde Jahr für Jahr ein noch grösseres Loch stopfen müsste. Was er so natürlich öffentlich nicht eingesteht.
Ein grosser Philosoph hat einmal gesagt, am Anfang stehe der Gedanke, dann folge das Wort und schliesslich die Tat. Im letzten Frühjahr hat Marc Thommen zum ersten Mal öffentlich über einen möglichen freiwilligen Abstieg in die MyHockey League gesprochen. Der nächste Schritt ist die Tat.
Die Frage ist natürlich: Würde es für Olten Sinn machen, dem Beispiel von Langenthal zu folgen und zum ersten Mal seit mehr als 50 Jahren nur noch Amateur-Hockey zu spielen? 1970 ist Olten in die damalige NLB aufgestiegen und seither in den beiden höchsten Ligen geblieben. Wäre ein freiwilliger Abstieg nicht ein Verrat an dieser grandiosen Hockeykultur?
Olten ist «Hockeytown». Ohne Wenn und Aber. Eine Stadt des Eishockeys. Die Identifikation mit dem Hockeyclub ist ähnlich hoch wie in Ambri, Langnau und Pruntrut. Wir spielen Eishockey, also sind wir. Aber Olten ist nicht Ambri, Langnau oder Pruntrut. In Olten steht nur das Volk hinter dem Hockeyclub. Also die einfachen, arbeitenden, braven und steuerzahlenden Leute. Die politische Elite hingegen gar nicht und die wirtschaftliche Elite, ohne die in keiner Stadt Profihockey finanziert werden kann, bloss mit vornehmer Zurückhaltung.
Das Stadion reicht nicht für die höchste Liga
Das mag polemisch tönen. Aber warum haben Ambri, Langnau und Ajoie neue Hockeytempel und Olten keinen? Weil sich in Olten die Politisierenden mit Lippenbekenntnissen begnügen. Warum können sich Ambri, Langnau und Pruntrut in wirtschaftlich ärmeren Gegenden ein Team in der höchsten Liga leisten und Olten nicht?
Natürlich ist Oltens Kultstadion «Kleinholz» juristisch-administrativ tauglich für die höchste Liga. Aber die Arena ist nicht gut genug, um die Einkünfte zu erwirtschaften, die es für ein konkurrenzfähiges Team heute in der höchsten Liga braucht. Es fehlen die Logen, die Möglichkeit der Bewirtschaftung des Publikums durch Gastronomie. Ein Aufstieg in die höchste Liga wäre der Anfang einer noch grösseren Schuldenwirtschaft.
Ist also die zweithöchste Liga – einst Nationalliga B, dann Swiss League, heute Sky Swiss League – die richtige Liga für Olten? Nein, sie ist es seit der Aufstockung auf 14 Teams und der juristischen Selbständigkeit der National League (vormals NLA) nicht mehr. Das Nadelöhr für den Aufstieg ist mit der Liga-Qualifikation, die mit vier Ausländern gespielt wird, für Olten seit der Pandemie zu gross geworden.
Der EHC Olten verliert seine Anziehungskraft
Ein Olten, das keine realistischen Aussichten mehr auf einen Aufstieg oder mindestens einen Meistertitel in der zweithöchsten Liga hat, verliert auf Dauer seine emotionale Anziehungskraft. Die Leidenschaft des Publikums ist mit der Einreichung eines Aufstiegsgesuches so wenig zu wecken wie die erkaltete Liebe der Gattin durch ein Liebesbekenntnis – um das eingangs erwähnte, politisch nicht ganz korrekte Bild zu wiederholen.
Ein Aufstiegsgesuch einreichen und gleichzeitig vom Sparen fabulieren ist nur noch die Katze mit dem Strohhalm geneckt.
Wäre die MyHockey League die bessere Alternative?
Also braucht es eine neue Liga. Kann die MyHockey League eine Alternative sein? Ja, sie wäre die perfekte Liga für den EHC Olten. Aus mehreren Gründen. Erstens wären die Oltner alle finanziellen Sorgen los. Das Budget könnte um zwei Drittel auf weniger als zwei Millionen zurückgefahren werden. Natürlich könnte die aktuelle Publikumszahl (2178 pro Partie) in der höchsten Amateurliga nicht mehr erreicht werden. Aber etwas mehr als 1000 Zuschauende wie in Langenthal wären durchaus möglich.
Zweitens ist die sportliche Qualität der MyHockey League erstaunlich hoch: Eigentlich ist es eine Sky Swiss League ohne Ausländer und ohne überbezahlte Durchschnittsspieler, die sich den Karriere-Herbst vergolden lassen. Der Unterhaltungswert ist in der höchsten Amateurliga mindestens gleich hoch. Endlich gäbe es wieder das Derby gegen Langenthal (wir spielen gegen Langenthal, also sind wir), Arosa käme nach Olten, aber auch Huttwil, Lyss und Thun.
Drittens könnte die Nachwuchsarbeit, die in Olten inzwischen gut und klug aufgegleist worden ist, konsequent weitergeführt werden: Nachwuchsspieler können in der MyHockey League besser ans Erwachsenenhockey herangeführt werden als in der Sky Swiss League. Die Identifikation mit dem Team wäre grösser.
Kommt dazu: Wahrscheinlich könnte sich der EHC Olten dann gar ein Team in der höchsten Frauen-Liga leisten. Das würde zwar das Publikum nicht interessieren, gäbe aber politisches Prestige in der Stadt und Zugang zu neuen Sponsorengeldern.
Viertens könnte Olten in der MyHockey League um Qualifikationssieg und Meistertitel mitspielen. Nichts tut auch der Oltner Hockeyseele so wohl wie Siege und eine erste Meisterfeier nach mehr als einem halben Jahrhundert wäre nachgerade das Hochamt aller Hockeygefühle.
Fünftens könnten die Oltner endlich ihr «Ausländer-Trauma» überwinden: In der MyHockey League braucht es keine Ausländer mehr. Seit die Langenthaler im Frühjahr 2010 dem EHC Olten die beiden Kanadier Jeff Campbell und Brent Kelly ausgespannt haben, müht sich Olten Saison für Saison mit ungenügendem ausländischen Personal ab.
Wir können die Situation auch anschaulich mit den Wetterverhältnissen erklären: Inzwischen herrscht beim EHC Olten permanentes sportliches Nebelwetter ohne Aussichten auf Sonnenschein. Die Stimmung im Stadion beim Klassiker gegen Basel mahnte an melancholisches Herbst- und Winterwetter. Die Oltner haben sich im Nebel des Niemandslandes zwischen den beiden höchsten Ligen verirrt.
(watson/ Klaus Zaugg)