Uraltes Handwerk in Solothurn

«Die Arbeit geht uns nicht aus» – zu Besuch bei der Buchbinderei Schwägli

26.02.2024, 17:33 Uhr
· Online seit 26.02.2024, 16:55 Uhr
Es ist ein altes Handwerk, das es seit dem 15. Jahrhundert gibt: Das Buchbinden. Eine der wenigen Buchbindereien im Kanton Solothurn betreibt die Familie Schwägli. Wie das Handwerk funktioniert und ob es eine Zukunft hat, verrät uns die Familie bei einem Besuch.

Quelle: 32Today / Nadine Schmid / Jael Fischer

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Die meisten Bücher werden heutzutage industriell hergestellt. Bei der Buchbinderei Schwägli in Solothurn hingegen wird alles von Hand gemacht und es benötigt viel Fingerspitzengefühl. «Mich fasziniert alles an dem Beruf, ich arbeite gern mit Holz, mit Karton, mit Papier, mit den Fingern. Kunst ist etwas Wichtiges. Die Handbuchbinderei ist auch eine Kunst», erklärt Franziska Schwägli, die zusammen mit ihrem Mann Bruno und ihrer Tochter Manuela die Buchbinderei betreibt.

Von Schweigepflicht und Holzwürmern

Sie haben viele verschiedene Kundinnen und Kunden, darunter Ämter und Anwälte. "Das sind alles Akten, die im Staatsarchiv bis zu 100 Jahre gelagert werden müssen.» Die Akten sind ein streng gehütetes Geheimnis, Schwäglis dürfen nicht sagen, von wem sie sie bekommen. «Wir sind deswegen alle vereidigt und stehen unter Schweigepflicht.» Doch es gibt auch andere Aufträge: «Von Maturarbeiten, Bildern von Picasso bis hin zum kleinen Bravoposter machen wir alles.»

Bei den Schwäglis kann man auch Bücher restaurieren lassen. «Das älteste Buch war eine Bibel von 1645. Dort hatte es Würmer drin und es war auch von einem Pilz befallen. Wir «entgrauen» in solchen Fällen Blatt für Blatt und nehmen alle Pollenstoffe heraus.»

Früher wurden Bücher mit Holz eingerahmt, zunächst in Klöstern. Deshalb hätten sich nicht selten Holzwürmer in diese Rahmen gefressen. Dort sind sie dann verendet, ihre Kadaver haben dort Jahrhunderte überdauert.

Auch Buch-Attrappen stellen Schwäglis her, beispielsweise für Weinflaschen, aber es gab auch einmal einen Auftrag von Polizisten. «Sie wollten ihre Pistolen nicht einfach neben dem Bett in einer Schublade aufbewahren, sondern sie so aufbewahren, dass man sie nicht findet.» Das sei einer ihrer speziellsten Aufträge gewesen, erklärt Schwägli.

Aufwändigstes Buch dauert einen Monat

Es gibt mehrere Arten, ein Buch zu binden, dabei kommt es auf das Buch und den Auftrag an. Dazu verwenden Schwäglis sehr alte Maschinen, die teilweise noch aus altem Kriegsmaterial hergestellt worden sind und bereits unter dem ersten Besitzer des Ladens angeschafft worden waren. «Die schnellste Art, ein Buch zu binden, ist die Klemmbindung, da kann der Kunde auch gleich im Geschäft warten, das schaffen wir in ein paar Minuten», erklärt Schwägli.

Dann gibt es die Fächerbindung, was 70 Prozent der Aufträge ausmache. Dabei werden die Seiten gefächert und geleimt. Weiter gibt es die Schraubenbindung. Diese kommt zum Zug, wenn das Buch viele Fäden oder «Chräueli» hat, die beim Pressen kaputt gehen würden. Das Aufwändigste ist das Schreibbuch. Um es herzustellen sind zahlreiche Schritte nötig, der Prozess kann bis zu einem Monat dauern.

Das kommt zum Beispiel bei den Akten zum Zug. Schwägli: «Wir rüsten erst die Blätter, damit es zum Beispiel keine Schrauben oder Bostitch mehr drin hat, dann wird geschnitten und geleimt. Auch die Steppmaschine kommt zum Zug.» Mit Nadel und Faden werde das Buch geheftet, auch müsse es gerundet werden.

Der Grund für die lange Dauer ist aber der Leimvorgang. «Das Leimen muss in mehreren Schritten gemacht werden, da es mehrere Trocknungsphasen gibt, die bis zu 24 Stunden dauern können», führt Schwägli aus. Die Kosten werden je nach Dicke berechnet. Acht Zentimeter kosten bis zu 800 Franken. Bei Schwäglis wird diese 400 Jahre alte Technik noch im Haus durchgeführt.

90. Jubiläum und Nachfolge bereits in Aussicht

Die Buchbinderei der Schwäglis hat ein stattliches Alter: Sie wird in diesem Jahr 90. Eröffnet wurde sie 1934 von Karl Christ, und sie blieb bis vor zwanzig Jahren in der Hand von dessen Familie. Im Anschluss übernahmen die Schwäglis, denn Bruno Schwägli hatte dort seine Lehre gemacht. Entsprechend lag es auf der Hand, dass er den Laden übernimmt, wie seine Frau erklärt. «Dass der Laden 90 wird, ist schon ein Wow-Effekt. Jetzt werden wir uns anstrengen, dass es noch mal 90 Jahre weitergeht.»

Schwäglis geben sich zuversichtlich: Zwar werden die meisten Bücher längst industriell hergestellt, doch es gebe mehr als genug Arbeit, etwa weil die Staatsarchive ihre Bücher lange aufbewahren und es deshalb wichtig sei, dass sie robust seien, erklärt Franziska Schwägli. «Wir haben auch bereits die Nachfolge gesichert. In sechs Jahren wird mein Mann pensioniert, dann wird unsere Tochter Manuela den Laden übernehmen. Ich bin mir sicher, dass auch ihr die Arbeit nicht ausgehen wird.»

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veröffentlicht: 26. Februar 2024 16:55
aktualisiert: 26. Februar 2024 17:33
Quelle: 32Today

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