Mittelland

Die Solothurner Kesb im Zwielicht – ein Chef nimmt Stellung

Besuchsrecht

Die Solothurner Kesb im Zwielicht – ein Chef nimmt Stellung

· Online seit 26.10.2023, 20:45 Uhr
Die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) kümmert sich um den Schutz der Schwächsten. Ein Fall aus dem Solothurner Schwarzbubenland zeigt, dass sie dabei manchmal höchst zweifelhaft vorgeht. Der Solothurner Kesb-Präsident nimmt Stellung.
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Man kann es nur als Spiessrutenlauf bezeichnen, was ein Vater zweier Kinder im Kanton Solothurn seit Jahren erdulden muss. Seit der Trennung von seiner Frau im Jahr 2013 sieht er seine zwei Kinder kaum noch – Gerichte und Kesb spielen dabei eine wenig rühmliche Rolle. Kürzlich hat die preisgekrönte Journalistin Michèle Binswanger in der «Sonntagszeitung» den komplexen Fall erneut aufgegriffen.

In aller Kürze spielte sich der Fall wie folgt ab: Gestützt auf ein umstrittenes Gutachten wurde dem Vater jahrelang verweigert, seine Kinder zu sehen. Die Mutter und ihre im Kanton Solothurn bestens vernetzte Anwältin schafften es, mit Verweis auf dieses Gutachten, den Kontakt fast komplett zu unterbinden. Die Kinder wurden nie befragt.

Bundesgericht spricht Machtwort, und es ändert sich – nichts

Die Solothurner Behörden und das Verwaltungsgericht wiesen alle Eingaben und Bemühungen des Vaters ab. Im Mai 2020 rüffelte schliesslich das Bundesgericht die Solothurner, was eine Aufsichtsbeschwerde gegen die Kesb nach sich zog. Endlich wurden danach die Kinder selber angehört – sie äusserten den Wunsch, ihren Vater regelmässig zu sehen. Also wurde ein Besuchsrecht ausgehandelt und für verbindlich erklärt.

Die Krux: Die Mutter ignoriert diese Vereinbarung. Sie lässt den Vater jeweils am vereinbarten Treffpunkt auf seine Kinder warten. Folgen? Keine. Die Frau kassiert weiterhin die Alimente, hält sich aber nicht an die Abmachungen. Der Vater versuchte, via Kesb und Polizei zu seinem Besuchsrecht zu kommen – vergeblich. Niemand fühlt sich zuständig, der Vater gilt bei Behörden wegen seiner freundlichen Hartnäckigkeit stattdessen immer stärker als Querulant.

Kesb nimmt Stellung

Mit Verweis auf den Datenschutz kann die Kesb zu den Einzelfällen jeweils nicht Stellung nehmen. Der Solothurner Kesb-Präsident Stefan Armenti hat sich dennoch bereit erklärt, Fragen zu beantworten, auch wenn er die Akten und den Fall nur aus der Medienberichterstattung kennt.

32Today: Herr Armenti, was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie über die Geschichte dieser Familie lesen?

Stefan Armenti: Es ist eine absolute Tragödie. Mutter und Vater stehen in einem Dauerkonflikt und finden keinen Ausgang, das macht mich betroffen. Noch betroffener macht mich, was die Kinder (die heute Jugendliche sind) erdulden müssen. Etwas ganz Privates wird in der Öffentlichkeit ausgebreitet. Ich weiss nicht, wie sich die Jugendlichen dabei fühlen.

Wie gut kennen Sie den Fall?

Ich muss vorausschicken, dass die Kesb Region Solothurn nicht zuständig ist, sondern die Kesb Dorneck/Thierstein. Der Zeitungsbericht ist komplett aus Sicht des Vaters geschrieben, mir fehlt die Perspektive der Mutter und der Kinder. Der Weissenstein sieht auch anders aus, je nachdem ob man ihn von Süden oder von Norden betrachtet.

Aber die Kinder haben doch mehrfach bezeugt, dass sie Kontakt zum Vater wünschen?

Das schon, aber die Kinder sind heute in einem Alter, in dem man sie nicht mehr am Maxi Cosi anbinden kann – sie könnten aufs Töffli sitzen und wären beim Vater. Für mich ist aus dem Artikel heraus nicht nachvollziehbar, was die Kinder dieser Familie wirklich wollen.

Was mir besonders aufgefallen ist: Der Vater hat nach langem juristischem Kampf ein Besuchsrecht bekommen, in der Realität wird es aber nicht gelebt. Wer wäre dafür zuständig, dass diese Vereinbarung umgesetzt wird?

In erster Linie die Eltern, und wenn sie es nicht können, das Gericht oder die Kesb. Nur gibt es dort ein Problem – das Handeln der Behörden muss verhältnismässig sein und das Kindeswohl im Auge haben. Das Bundesgericht sagt zum Beispiel, dass das Besuchsrecht nicht per Zwang durchgesetzt werden darf, wie das früher manchmal gemacht wurde.

Aber es ist doch stossend, wenn eine Partei (die Mutter) auf die Einhaltung einer Vereinbarung pfeift, ohne dass es irgendwelche Folgen hat?

Ja, das ist stossend, aber das Problem bleibt, dass die Mittel der Öffentlichkeit begrenzt sind, solche Vereinbarungen mit Zwang zu vollstrecken. Bussen wären möglich, aber wenn sich jemand beharrlich weigert, sind auch den Behörden die Hände gebunden, weil eben das Prinzip der Verhältnismässigkeit gilt.

Was weiter auffällt am Fall, wie ihn Michèle Binswanger schildert: Die Verbandelung von Leuten an den Gerichten und in der Kesb. Die Welt der Juristen im Kanton ist klein, man tritt sich nicht auf die Füsse, die Anwältin der Mutter war Präsidentin des Solothurner Juristenvereins... 

Das sehe ich nicht – die Rollen sind klar verteilt. Eine Gutachterin hat ein anderes Interesse als eine Kesb, eine Anwältin hat nochmals einen anderen Auftrag. Es ist wenig nachvollziehbar, dass Absprachen getroffen wurden oder dass irgendjemand die Fäden zieht und alles kontrolliert und manipuliert zugunsten der Mutter und zulasten des Vaters.

Darum geht es doch nicht – sondern darum, dass man sich gegenseitig nicht weh tut und dass zum Beispiel ein Gericht Entscheide einer Kesb stützt, weil sich die Leute in diesen Behörden kennen und man sich nicht ins Gärtchen treten will...

Aber die Interessen sind auch dann noch nicht gleich geschaltet. Ich als Leiter einer Kesb würde es nicht akzeptieren, wenn jemand seinen Job nicht macht aus persönlicher Rücksicht auf jemanden, den man kennt und der in einer anderen Behörde oder in einer anderen Funktion arbeitet.

Der Vater hat sich jahrelang hartnäckig, wenn auch stets freundlich, gewehrt und immer wieder nachgehakt. In den Behörden galt er dann irgendeinmal als Querulant, dessen Eingaben vielleicht etwas vorschnell vom Tisch gewischt wurden. Sehen Sie diese Gefahr?

Es ist nur menschlich, dass das passieren kann. Wir haben bei der Kesb mit vielen sehr speziellen Menschen zu tun, was Bedürfnisse und Verhalten angeht. Es ist aber unser Anspruch, mit diesen Leuten respektvoll umzugehen und sie immer Ernst zu nehmen. Die Rechtsprechung darf sich nicht ändern, nur wenn jemand «schwierig» ist.

Hätten die Behörden im besagten Fall etwas anders machen sollen?

Ich denke nicht. Wir haben viele streitende Eltern und Konflikte ums Besuchsrecht. Etwa 40 Prozent der Massnahmen im Kinderschutz gehen um die Besuche. Entscheide, die Ruhe in eine Familie reinbringen, sind für die Kesb und die Gerichte immer sehr schwierig.

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veröffentlicht: 26. Oktober 2023 20:45
aktualisiert: 26. Oktober 2023 20:45
Quelle: 32Today

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