Mittelland

Gleichstellung bei der Blutspende – ab November endlich Realität

Kriterien angepasst

Gleichstellung bei der Blutspende – ab November endlich Realität

31.10.2023, 11:54 Uhr
· Online seit 31.10.2023, 11:45 Uhr
Ab November werden Männer, die mit Männern sexuellen Kontakt haben, bei der Blutspende nicht mehr benachteiligt. Swissmedic hat einen Antrag des Blutspende-Dienstes Schweiz genehmigt. Was bedeutet das konkret?
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Franziska Kellenberger ist Leiterin Marketing und Kommunikation Blutspende SRK Schweiz und ordnet die Situation für uns ein.

Frau Kellenberger, wann ist die Ungleichbehandlung zwischen hetero- und homosexuellen Männern bei der Blutspende entstanden?

Im Zusammenhang mit dem Aufkommen der Aids-Epidemie wurden in der Schweiz im Jahr 1985 Männer, die sexuellen Kontakt mit Männern haben, von der Blutspende ganz ausgeschlossen. Dies hat der Europarat damals empfohlen.

Wurde vorher nicht nachgefragt?

Nein, das hat man damals gar nicht gefragt.

Wann und weshalb wurde das Verbot aufgeweicht?

Nachdem Homosexuelle bei der Blutspende jahrzehntelang ausgeschlossen waren, haben wir von der Blutspende SRK Schweiz 2017 bei Swissmedic den Antrag gestellt, homosexuelle Männer wieder für die Blutspende zuzulassen. Swissmedic hat die verlangte Lockerung dann auch genehmigt, aber mit der Bedingung, dass es eine zwölfmonatige Karenzfrist gibt. Das bedeutet, dass die homosexuellen Männer seit dem letzten sexuellen Kontakt zwölf Monate warten mussten, bis sie Blut spenden konnten.

Gehen Sie davon aus, dass es nun ab November mehr Blutspenden geben wird, wenn diese Restriktion fällt?

Das ist schwierig zu beantworten, und es war auch nicht unbedingt das Ziel der Anpassung der Regelung. Unsere Absicht war es, in erster Linie die Diskriminierung zu beenden.

Man kann also sagen, dass die Sicherheit gewährleistet ist und die bis anhin diskriminierende Regelung nicht aufrechterhalten werden muss?

Das ist korrekt. In der Schweiz besteht ein sehr kleines HIV-Übertragungsrisiko im Vergleich zu früheren Jahren. (Anmerkung der Redaktion: Neue Medikamente führen dazu, dass auch HIV-positive Personen keine Viren mehr im Blut haben.)

Ab wann wurde diese Regelung ihrer Meinung nach diskriminierend?

Grundsätzlich ist es ja so, dass es bei der Blutspende immer in erster Linie um das Patienten- und Spendenwohl geht. Es ging nie darum, bestimmte Personen oder Gruppen auszuschliessen. Die Kriterien werden jedes Jahr analysiert und neu bewertet. Es wird angeschaut, ob sie noch gerechtfertigt sind oder nicht. Diese Regelung konnte aufgrund von fehlenden Daten bis jetzt nicht angepasst werden. Die Daten waren erst in den letzten Jahren vorhanden und konnten nun ausgewertet werden.

Was sind das für Daten?

Das sind ganz unterschiedliche Daten. Es handelt sich um Gesundheitsdaten verschiedener Länder, um HIV-Risikodaten, Blutspendedaten – grundsätzlich alle wissenschaftlichen Daten, die zu diesem Thema gesammelt werden konnten.

Also ist es nicht so, dass diese Regelung irgendwann diskriminierend wurde, sondern dass schlicht Daten gefehlt haben, um diesen Entscheid zu fällen.

Das ist richtig. Dann dauert es halt immer seine Zeit, um diese Daten auch zu analysieren. Darum konnten wir auch erst im letzten Jahr den Antrag bei Swissmedic für eine komplette Gleichbehandlung einreichen. Um die ganzen Prozesse in den regionalen Blutspendediensten anzupassen, haben wir nun ungefähr drei Monate gebraucht. Deswegen tritt die Regelung erst ab November in Kraft.

Welche Ungleichbehandlungen gibt es bei der Blutspende weiterhin?

Ich würde nicht sagen, dass es Ungleichbehandlungen gibt. Es gibt einfach bestimmte Kriterien, die zu einer temporären Rückweisung führen. Zum Beispiel bei einer Schwangerschaft, bei einem Aufenthalt in Ländern mit Infektionsrisiken wie Malaria, oder auch im Zusammenhang mit Impfungen, Tätowierungen oder Piercings. Eine Rolle spielen auch Medikamente, die eingenommen werden, Krankheiten und andere Gesundheitsdaten wie zum Beispiel das Gewicht oder das Alter.

Es gibt also keine diskriminierenden Ungleichbehandlungen? Das sind alles Bestimmungen, die aufgrund von gesundheitlichen oder medizinischen Faktoren so sind?

Das ist richtig. Aufgrund von bestimmten Faktoren gibt es Ausschlüsse, aber nicht aufgrund sexueller Orientierung oder ähnlichem.

Worauf wird gespendetes Blut standardmässig getestet?

Das Blut wird auf HIV, Hepatitic B, C, E und Syphilis getetstet. Das ist schon länger so.

Wenn das Blut aber so oder so auf HIV getestet wurde, warum waren die Daten so relevant, um diese Ungleichbehandlung aufzuheben?

Man hatte ja diese Daten gar nicht, diese Blutspender waren nicht zugelassen. Folglich gab es keine Daten über Männer, die sexuellen Kontakt mit Männern hatten und regelmässig Blut gespendet haben.

Gehen Sie davon aus, dass die Aufhebung dieser Regelung zu mehr Blutspenden führt?

Wir wissen nicht, ob und wie viele neue Männer mit der neuen Regelung zur Blutspende kommen. Aber jeder Neue ist natürlich herzlich willkommen. Wir von Blutspende SRK Schweiz freuen uns, dass wir jetzt diese Gleichstellung bei der Blutspende haben.

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veröffentlicht: 31. Oktober 2023 11:45
aktualisiert: 31. Oktober 2023 11:54
Quelle: 32Today

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