Bis Weihnachten

«Jetzt ist mal gut»: Berner Sicherheitsdirektor zu Grossdemo-Verzicht

08.11.2023, 19:28 Uhr
· Online seit 08.11.2023, 11:16 Uhr
Die Stadt Bern will in der Innenstadt ab 17. November bis Weihnachten keine Grosskundgebungen und Umzüge mehr bewilligen. Das teilte die Regierung am Mittwoch mit.
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Die öffentlichen Plätze seien bereits stark genutzt, hiesst es als Begründung. Zahlreiche Veranstaltungen und Grossanlässe würden bald stattfinden. Mit der Adventszeit stünden verschiedene bewilligte Weihnachtsmärkte und weitere Winteranlässe bevor, schreibt der Gemeinderat. Auch flossen «sicherheitsrelevante Überlegungen» ein. Über fünf Wochen, vom 17. November bis und mit 24. Dezember, wird die Stadt Bern keine Grossdemonstrationen und Umzüge in der Stadt bewilligen.

Kein Recht auf Demos im Wochenrhythmus

Sicherheitsdirektor Reto Nause (Mitte) verteidigte den Entscheid im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Die Stadt habe in den letzten Wochen drei Palästina-Kundgebungen bewilligt, die in einer speziellen emotionalen Atmosphäre stattgefunden hätten und von einem grossen Polizeiaufgebot begleitet worden seien.

Zudem habe es zwei Mahnwachen zugunsten von Israel gegeben. «Jetzt ist mal gut», sagte Nause.

Die Stadt Bern habe der Meinungsäusserungsfreiheit einstweilen Genüge getan. In der Bundesverfassung stehe nirgends geschrieben, dass es ein Recht gebe, im Wochenrhythmus zum gleichen Thema mit den gleichen Forderungen auf die Strasse zu gehen. Gesuche für weitere Nahost-Kundgebungen sind laut Nause keine hängig.

Kleinere Kundgebungen, beispielsweise Mahnwachen, könnten in der Innenstadt nach wie vor bewilligt werden. Auch auf dem restlichen Stadtgebiet seien Demonstrationen möglich.

«Müssen wir den YB-Match wegen Meinungsfreiheit absagen?»

In den nächsten Wochen gebe es in Bern zahlreiche Veranstaltungen und Anlässe, sagte Nause weiter – von den Weihnachtsmärkten über den Staatsbesuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron bis zum Zibelemärit und dem Champions-League-Spiel der Young Boys gegen Roter Stern Belgrad.

Wer die Meinungsäusserungsfreiheit stets höher gewichte, dem halte er eine Frage entgegen: «Müssen wir den Staatsbesuch und den YB-Match absagen, um die Meinungsfreiheit möglich zu machen? Auch andere Interessen haben ihre Legitimation, nicht nur Kundgebungen.»

Aufgeheizte Stimmung am Samstag – aber nicht gewalttätig

Zuvor hatte der kantonale Sicherheitsdirektor Philippe Müller in den Tamedia-Zeitungen zum Verzicht auf Palästina-Kundgebungen aufgerufen. Die Wahrscheinlichkeit von Gewalt bei einer nächsten Kundgebung sei gross, sagte er in einem Interview. Die Bewilligungsbehörde sei aber die Stadt Bern und nicht der Kanton.

Tausende Menschen hatten sich an den beiden vergangenen Samstagen auf dem Bundesplatz mit den Palästinensern solidarisiert. Die Stimmung an der Kundgebung war laut und teilweise aufgeheizt, aber nicht gewalttätig. Die Polizei war präsent, hielt sich aber mit einem grösseren Aufgebot im Hintergrund.

«Wenn Manifestierende sich gegen die Schweiz wenden, Polizisten anspucken und auf Kommando den Stinkefinger gegen das Bundeshaus erheben, wird das Gastrecht definitiv missbraucht», sagte Müller. «Daher rufe ich dazu auf, von weiteren solchen Kundgebungen abzusehen.» Die Bewilligungsbehörde sei aber die Stadt Bern und nicht der Kanton.

Offene Fragen

Am Wahl-Wochenende des 21./22. Oktober hatten die Städte Bern, Zürich und Basel keine Nahost-Demos zugelassen. Sie begründeten dies mit der Sorge vor Personen- und Sachschäden. Der Entscheid war von Staatsrechtlern kritisiert worden: Es brauche mehr als Hinweise auf die angespannte Lage, um Demos nicht zu bewilligen.

«Wir haben nicht geprüft, ob ein Verbot legitim wäre», sagte Müller in dem Interview. Er fügte an, dass man seiner Meinung auch anderweitig Ausdruck geben könne. «Man könnte eine Mahnwache organisieren, zum Beispiel in Wankdorf City.»

(sda/rst/dak)

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veröffentlicht: 8. November 2023 11:16
aktualisiert: 8. November 2023 19:28
Quelle: BärnToday

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