Damit Kinder und Eltern während des Schuljahres nicht zu vielen personellen Veränderungen ausgesetzt sind, können Lehrpersonen der Volksschulen im Kanton Solothurn ihre Stelle nur auf einen Termin künden – nämlich auf Ende des Schuljahres.
Um schwangeren Müttern die Stellensuche nach dem Mutterschaftsurlaub zu vereinfachen, gibt es im Kanton Solothurn eine Ausnahmeregelung, die sogenannte «zweistufige Kündigungsfrist». Heisst konkret: Frischgebackene Mütter können kurzfristig auf Ende ihres Mutterschutzes künden. Die zweistufige Kündigungsfrist ist im Volksschulgesetzt wie auch im Gesamtarbeitsvertrag geregelt.
Anschlusslösungen werden meistens gefunden
Die Regelung eines einzigen Kündigungstermins mit der Zusatzregelung bei Schwangerschaften habe sich bewährt, sagt Misteli. «Wenn Lehrpersonen nicht jederzeit künden können, wird verhindert, dass es während des Schuljahres viele Personalwechsel gibt.» Denn das wäre in der Tat für alle unangenehm und mit Zusatzaufwand verbunden.
Wird eine Lehrerin schwanger, muss eine Ersatz- oder Anschlusslösung für die Frau gefunden werden. In den meisten Fällen sei das kein Problem. «In der Regel einigen sich die jeweiligen Schulleitungen mit den Lehrpersonen auf ein tieferes Pensum nach dem Mutterschaftsurlaub», sagt Misteli. So können die betroffenen Mütter nach dem Mutterschaftsurlaub wieder in den Berufsalltag einsteigen, dazu noch in einer ihnen bereits bekannten Schule.
Wenn aber eine Lehrerin schwanger wird und nach dem Mutterschaftsurlaub ihren bestehenden Vertrag nicht mehr erfüllen kann oder will, müsse sie ihre Stelle nach der Geburt des Kindes künden. Soweit so gut, soweit so klar. Doch offenbar wird nicht überall gleich sorgsam mit den werdenden Müttern umgegangen.
Solothurner Stadtschulen machen Druck
So sei das Vorgehen beispielsweise in den Solothurner Stadtschulen anders. Lehrpersonen seien in den letzten Jahren immer wieder vor der Geburt des Kindes zur Kündigung «gezwungen» worden, ohne eine Anschlusslösung in Aussicht zu haben, wie 32Today weiss.
Roland Misteli bestätigt: «In einzelnen Gemeinden, sprich in der Stadt Solothurn, gibt es hin und wieder Probleme. Vereinzelt werden werdende Mütter dazu aufgefordert, bereits während der Schwangerschaft ihre Stelle zu künden.» Dies geschehe anhand von Briefen, die die Stadt an die Mütter schicken. Der Inhalt: Die Mutter muss ihre Stelle aufgeben, sollte nicht zum selben Prozentsatz in die Schule zurückkehren.
Grundsätzlich ist es nicht verboten, solche Briefe zu drucken. Eine frischgebackene Mutter habe keinen Anspruch auf ein reduziertes Pensum, nur auf das Pensum der vorherigen Stelle. Aber: «Die Stadt Solothurn übt mit diesen Briefen Druck auf die Lehrerinnen aus, sich bereits während der Schwangerschaft zu entscheiden», sagt Misteli. Die Mutter muss laut Gesetzgeber aber erst eine Entscheidung treffen, wenn das Kind um die vier Wochen alt ist. Somit könne die Mutter mit zwei Monaten Kündigungsfrist entscheiden, ob sie auf Ende des Mutterschutzes zurückkommt.
Das sei für die Betroffenen mit grossen Unsicherheiten verbunden und löse Unmut aus, wie Misteli weiter sagt.
«Vergraulen» nicht die beste Variante
Die Direktion der Solothurner Stadtschulen bestreitet auf Anfrage von 32Today, dass sie gegen das Gesetz verstiessen. Es werde niemand zur Kündigung «gezwungen», Lösungen mit den betroffenen Lehrpersonen würden «in jedem Fall» gefunden. Ausserdem komme es in vielen Fällen vor, dass schwangere Lehrerinnen von sich aus schon vor dem Geburtstermin die Kündigung einreichten.
Mehr ins Detail gehen wollten die Stadtschulen gegenüber 32Today nicht. Doch selbst wenn das Vorgehen legal sein sollte – in Zeiten von akutem Lehrerinnen- und Lehrermangel erscheint es nicht besonders clever, schwangere Lehrerinnen mit einer Kündigung zur Unzeit unter Druck zu setzen und zu vergraulen. Die Chance ist gross, dass sich die Frauen ausserhalb der Stadt Solothurn eine Anstellung suchen – schliesslich können sich Lehrerinnen aktuell quasi aussuchen, wo sie arbeiten möchten.
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