Schuldspruch im Fall Ostermundigen

Mörder von 20-Jähriger zu 16 Jahren Haft verurteilt

20.04.2023, 18:52 Uhr
· Online seit 20.04.2023, 15:09 Uhr
Eine junge Bernerin war Anfang August 2021 tot in ihrer Badewanne gefunden worden. Am Donnerstagnachmittag wurde der angeklagte 23-Jährige schuldig gesprochen und wegen Mordes zu 16 Jahren Haft verurteilt.
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Am 11. August 2021 wurde eine junge Frau in Ostermundigen tot aufgefunden. Sie lag in ihrer dunklen Wohnung in einer kalten Badewanne. Sie war ertrunken und zuvor gewürgt und geschlagen worden. Die Spuren in der Wohnung verwischt, das Blut weggeputzt. Auf einem Kalender fand sich eine Nachricht mit «RIP», dem Todesdatum und dem Namen der 20-Jährigen.

Die Polizei ermittelte wegen eines Tötungsdelikts. Am vergangenen Montag musste sich ein heute 23-jähriger Schweizer wegen Mordes und anderen Anklagepunkten vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland verantworten. Fünf Richterinnen und Richter hörten aufmerksam den Zeugenaussagen und den Plädoyers zu. Auch den Angeklagten befragten sie, doch dieser verweigerte alle 36 Male die Aussage. Nur das letzte Wort ergriff er: «Es tut mir leid. Ich vermisse sie selber.»

Gericht: «Verhalten hat uns sprachlos gemacht»

Am Donnerstagnachmittag sprach das Gericht das Urteil, welches noch nicht rechtskräftig ist. Das Verhalten des Mannes habe das Gericht sprachlos gemacht, so Gerichtspräsident Marko Cesarov. Der 23-jährige Mann wird wegen Mordes, Diebstahl und betrügerischem Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage zu 16 Jahren Haft verurteilt. Die bereits in Haft verbrachten Tage werden ihm angerechnet. Zusätzlich wird er zu einer Geldstrafe von 170 Tagessätzen an 20 Franken verurteilt. An die Eltern muss er 830 Franken Schadenersatz und je 52'500 Franken Genugtuung bezahlen. Er muss für die Verfahrenskosten von 84'000 Franken und die Anwaltskosten aufkommen. Der Angeklagte reagierte stoisch auf das Urteil des Gerichts.

«Dass sie mit ihren Verletzungen selber in die Badewanne gestiegen ist, ist für uns kaum vorstellbar», so der Gerichtspräsident. Das Gericht ist der Überzeugung, dass der Täter das Opfer noch in der Badewanne mit dem Duschschlauch gewürgt hatte. Es sei klar, dass die Tötung des Opfers den Tatbestand Mord erfülle. «Die Tötung ist egoistisch und zeugt von der Geringschätzung des Lebens.»

«Wir können nur hoffen, dass das Opfer schnell das Bewusstsein verloren hat. Aber wir können nur davon ausgehen, dass es einen Kampf gab.» Gerichtspräsident Cesarov spricht von Skrupellosigkeit. Auch sein Verhalten nach dem Mord – Aufräumen, Putzen, Shoppen und dem Opfer Nachrichten schreiben – zeige deutlich, wie egal ihm der Tod des Opfers gewesen sei. Es sei jedoch berücksichtigt worden, dass die Tat nicht im Voraus geplant wurde, und dass der Schlag auf den Kopf nicht von hinten geschah. Viel mehr zugunsten des Verurteilten gäbe es nicht zu sagen. Der Raub von Laptop und Mobiltelefon wurde vom Gericht nicht bejaht, stattdessen wurde der Mann wegen Diebstahl verurteilt.

«Sagen Sie endlich die Wahrheit»

«Wir konnten uns der Wahrheit in diesem Verfahren nur annähern. Was wirklich passiert ist, weiss nur der Angeklagte.» Gerichtspräsident Cesarov sagt zum Verurteilten: «Wenn das Opfer Ihnen wirklich etwas bedeutet hat und das Leid der Familie Ihnen nicht egal ist: Zeigen Sie es und sagen Sie endlich die Wahrheit.»

Für das Urteil sind viele Personen aus dem Umfeld des Opfers erschienen, im Gang vor dem Gerichtssaal wird geflüstert und die Leute umarmen sich. Auch die Familie des Angeklagten ist anwesend.

Die Staatsanwaltschaft hatte 18,5 Jahre Haft gefordert, die Privatkläger – die Eltern des Opfers – verlangten zusätzlich eine Genugtuung in Höhe von über 100'000 Franken. Die Verteidigung hingegen hatte die Indizien anders ausgelegt und Freispruch in allen Punkten verlangt, dazu sollte der Beschuldigte für seine bereits über 516 in Untersuchungshaft verbrachten Tage entschädigt werden.

Chaotisch und emotional

Vor Gericht erschienen eine Rechtsmedizinerin und die Eltern des Opfers als Zeugen. Unter Tränen machten diese ihre Aussagen und erzählten von ihrem Schmerz. «Manchmal ist es wie ein Hammer. Es ist jeden Tag präsent», sagte die Mutter der Frau. Auch einige Bekannte des Opfers, aber auch die Familie des Angeklagten, waren zum Prozess erschienen.

Für die Staatsanwaltschaft und die Privatkläger war klar: Der Beschuldigte soll das Opfer ermordet haben. Der Angeklagte und das Opfer hätten eine «Freundschaft plus» gepflegt. Obwohl der Angeklagte nicht verliebt gewesen sei, sei ein Streit eskaliert, weil das Opfer mit anderen Männern geschrieben habe. Das Hauptmotiv sei laut Anklage aber Geld gewesen: Der Angeklagte hatte finanzielle Probleme und brauchte einen Laptop für die Berufsschule, konnte sich diesen aber nicht leisten. Das Opfer hätte ihm ihren geben wollen, habe ihn aber hingehalten. Er soll sie mit einer Glasflasche geschlagen, mit einem Duschschlauch oder einem YB-Schal gewürgt und in der Badewanne ertränkt haben. Die Verletzungen, die er ihr zugefügt haben soll, hätten zum Tod der 20-Jährigen geführt.

Laptop und Geld entwendet

Nach dem Mord soll er sich selber vom Handy des Opfers aus via Twint Geld überwiesen haben – fast 900 Franken. Damit habe er einen Teil seiner Schulden beglichen. Als er die Wohnung verliess, nahm er den Laptop der Verstorbenen mit und ging am nächsten Tag damit zur Schule, obwohl an der Laptoptasche noch Blut des Opfers war.

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Die Verteidigung legte die Indizienbeweise – Daten aus dem Mobiltelefon, DNA, Autopsiebefunde – anders aus. Der Pflichtverteidiger argumentierte, dass der Angeklagte laut eigener Aussage die Wohnung für eine bestimmte Zeit verlassen habe. Darin sieht die Verteidigung ein Zeitfenster für eine Drittperson.

Laut Anklage sei diese Theorie aber nicht möglich, da die Aussagen und Zeitfenster nicht mit den Daten des Mobiltelefons und der Tat übereinstimmen. Der Wahlverteidiger hingegen rollte insgesamt neun Varianten auf: Einerseits beispielsweise, dass das Opfer selbst in die kalte Badewanne gestiegen sein könnte, oder aber der Angeklagte nicht realisiert habe, dass sie bewusstlos sei und sie dann in die Wanne gelegt habe.

BärnToday war am Prozess dabei, den Liveticker kannst du hier nachlesen.

Quelle: TeleBärn

veröffentlicht: 20. April 2023 15:09
aktualisiert: 20. April 2023 18:52
Quelle: BärnToday

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