Nach dem Dauerregen ist vor dem Sturmtief
Der November gilt als neblig, kalt und wettertechnisch eher langweilig. Der November 2023 ist das genaue Gegenteil, es brodelt mächtig in der Wetterküche. Nach dem intensiven Dauerregen am Dienstag sind die Gewässer randvoll - vor allem in der Westschweiz und im westlichen Mittelland. In Biel wird den Leuten in Gewässernähe empfohlen, ihre Keller zu räumen.
Die Niederschlagssummen waren gross. An der Meteonews-Messstation Riedholz bei Solothurn etwa fielen seit Sonntagmorgen 127 Liter Wasser pro Quadratmeter, in Grenchen und Aarau waren es um die 90 Liter.
Flüsse und Seen steigen bedrohlich an
Die Gewässer sind entsprechend rasch und teils bedrohlich angestiegen. Das gilt etwa für die Saane, die in der Nacht auf Mittwoch bei Laupen zeitweise fast 1000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde Richtung Aare und Bielersee transportierte.
Der Bielersee stieg entsprechend rasch an, um etwa einen Meter. Am Mittwochmittag forderte die Stadt Biel die Anwohner von Gewässern auf, ihre Keller vorsorglich zu räumen. Der Pegel lag noch gut 20 Zentimeter unter der Hochwassermarke.
Der Abfluss aus dem Bielersee musste trotz Dauerregen und enormen Zuflüssen am Dienstag gedrosselt werden. Und zwar deshalb, weil unterhalb von Solothurn die Emme in die Aare fliesst, die auch Hochwasser führte. Sie führte in der Spitze am Dienstabend etwa 340 Kubikmeter pro Sekunde.
Weil mit dem Kanton Aargau in der sogenannten Murgenthaler Bedingung vereinbart ist, dass maximal 850 Kubikmeter pro Sekunde Richtung Aargau fliessen dürfen, musste das Wehr beim Bielersee Wasser zurückhalten. Sonst wäre der Aargau und das Solothurner Niederamt geflutet worden, was zum Beispiel beim Hochwasser 2007 geschah.
Glücklicherweise ging der Zufluss der Emme bald zurück, so dass aktuell das Wehr in Port die Schleusen voll geöffnet hat und viel Wasser aus dem Bielersee abfliessen kann.
Das sei auch nötig, sagt Christoph Dietschi, Abteilungsleiter Wasserbau beim Kanton Solothurn. «Wir müssen nun rasch Platz im Bielersee schaffen für kommende Niederschläge.»
Emme-Renaturierung zahlt sich aus
Der Kanton Solothurn sei bisher sehr glimpflich davon gekommen, sagt Dietschi. Dazu beigetragen habe die Renaturierung am Unterlauf der Emme, dank der Hochwasserereignisse wie dieses mittlerweile keine Bedrohung mehr seien.
Auch hätten die Berner Kollegen optimal reguliert, damit Aare und Emme zusammen nicht zu viel Wasser Richtung Rhein transportieren.
Nun folgt wieder ein Sturm
Am Mittwoch beruhigte sich das Wetter und die Sonne kam wieder einmal zum Vorschein. Das ist aber nur ein kurzes Intermezzo - bereits am Donnerstag wird es wieder wild. Ein kleines Sturmtief namens «Frederico» fegt über die Schweiz und könnte in der Nacht auf Freitag auch im Mittelland für eine unruhige Nacht sorgen. Böen bis zu 100 Kilometer pro Stunde sind im Flachland möglich.
Am Freitag gibt es vor allem entlang der Alpen wieder heftige Niederschläge, wobei die Schneefallgrenze viel tiefer ist als Anfang Woche. Das sind gute Nachrichten für die angespannte Hochwasserlage und beruhigt auch Christoph Dietschi vom Kanton Solothurn ein wenig.
Auch aufs Wochenende wechseln sich kurze «Ruhephasen» in schneller Folge ab mit Regenfronten, wobei die Temperaturen und damit die Schneefallgrenze einmal in die Höhe klettern und dann wieder sinken. Ein Problem werden nun auch die gesättigten Böden: Das meiste Wasser, das in den kommenden Tagen fällt, wird nicht versickern sondern abfliessen. Es könnte die Gewässer schnell wieder ansteigen lassen.