Quelle: 32Today / Jael Fischer
Der Kindergartenlehrer Dan Weber hat für einen begrenzten Zeitraum alle Spielsachen aus seinem Klassenzimmer verbannt. So wurden Lego und Duplo nach Italien in die Ferien geschickt, die Bauernhoftiere reisten nach Frankreich. Stattdessen beschäftigten sich die Kinder in dieser Zeit mit Holzbrettern, Kartonschachteln, buntem Papier, farbigen Tüchern – oder ganz einfach mit sich selbst.
Die Kinder könnten sich so Zeit nehmen um mehr zu beobachten, Ideen zu suchen und andere Seiten aneinander zu entdecken, wie Dan Weber beim Start des Projekts gegenüber 32Today sagte. Bereits im Voraus lancierte er eine Abstimmung innerhalb der Klasse. So machten die Kinder untereinander aus, welche Spielsachen noch etwas länger wegbleiben dürfen. Jetzt sind die Spielsachen zurück und Dan Weber stellt Überraschendes fest.
Dan, wie lief die Abstimmung vor dem Projekt?
Dan Weber: Unsere Abstimmung hat gut funktioniert. Es war sehr spannend und gleichzeitig amüsant zu sehen, wie unterschiedlich die Meinungen der Kinder über den Verbleib von einzelnem Spielzeug ausgefallen sind. Als Kindergartenlehrer hatte ich die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass schlussendlich alle Kinder mit dem Ergebnis zufrieden waren und Kompromisse gefunden werden konnten.
Du redest von Konsens zwischen den Kindern. Welche Entscheidungen der Kinder haben dich überrascht?
Überraschend war, dass das Puppenhaus und die Bauernhofspielsachen länger fehlen durften. Sonst ist Spielzeug, mit denen Kinder in andere Rollen eintauchen können, sehr beliebt. Noch verblüffter war ich darüber, dass die Ipads nach dem Projekt nicht mehr so beliebt waren bei den Kindern und ebenfalls länger in den Ferien bleiben durften. Wir haben Ipads im Kindergarten, um Medien und Informatik schon früh zu fördern.
Was hat dir das Projekt als Kindergartenlehrer gebracht?
Diese Zeit hat extrem viel mit mir gemacht. Ich tauchte in eine komplett andere Rolle ein und war mehr ein Coach und Beobachter. Das Projekt war ein Selbstläufer, die Kinder hatten die Aufgabe, sich andere Sachen und neue Wege ohne Spielzeug auszudenken. Mir gab es mehr Spielraum, die Entwicklung der Kinder zu beobachten. Ausserdem konnte ich denen mehr Zeit widmen, die beim Projekt etwas Startschwierigkeiten hatten.
Startschwierigkeiten inwiefern?
Es gab ein paar Kinder, welche die ersten vier bis fünf Wochen einfach da gesessen sind und, in meinen Augen, nicht viel gemacht haben. Sie waren mit der neuen Situation etwas überrumpelt.
Für Kinder ist es sicher auch nicht ganz leicht, plötzlich ohne Spielzeug auskommen zu müssen. Was für Ideen kamen auf?
Ich war wirklich überrascht, wie viel Fantasie die Kinder durch den Spielzeug-Entzug entwickelt haben. Plötzlich haben sie angefangen, aus verschiedenstem Material ein Flugzeug zu bauen oder einen Dschungel durchs Zimmer und den Garten zu kreieren. Aus Tischplatten entstand ein McDrive. Andere wiederum haben sich mit Fleissarbeit befasst und beispielsweise tagtäglich Kartonschnipsel produziert. Sie stellten sich dann vor, diese Kartonschnipsel wären Mahlzeiten für ihre Fantasie-Tiere. Die Vielfalt an Ideen war beeindruckend.
Wie hat sich die Gruppendynamik bei all diesen Ideen entwickelt?
Die Gruppen haben sich sehr durchmischt und je nach Interesse und Ideen automatisch geordnet. Natürlich kam es auch vor, dass Kinder zusammen arbeiteten, die sonst schon viel miteinander zu tun hatten. Auffällig war, dass besonders kreative und fantasievolle Kinder in manchen Belangen den Lead übernommen haben und Ideen lieferten.
Wie haben die Eltern auf das Projekt reagiert?
Es waren alle sehr aufgeschlossen und die meisten waren happy, dass ihre Kinder bei diesem Projekt mitmachen durften. Auch sie sahen den Fortschritt.
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Nachdem du diese Erfahrungen gemacht hast: Wie geht es jetzt weiter?
Ich habe vor, das Projekt alle zwei Jahre durchzuführen. Auch wenn es sehr viel von einem abverlangt, gerade wegen des Perspektivenwechsels, den man als Lehrperson machen muss.
Gibt es etwas, das du nächstes Mal anders machen würdest?
Eine Kehrseite des Projekts ist, dass man erstaunlich viel Abfall produziert – gerade Karton. Hier braucht es klare Spielregeln. Wir müssen festlegen, welches Material wir wann verwenden, um unsere Umwelt nicht zusätzlich zu belasten.