Bremgarten

500-jähriges Dosenbachhaus: Wie der Restaurateur dem «Haus mit Seele» neues Leben einhauchte

· Online seit 26.03.2024, 07:35 Uhr
Ernst Fischer ist ein Liebhaber von Altstadthäusern. Er nahm die Aufgabe an, das vernachlässigte Haus in der Bremgarter Altstadt aufwendig zu restaurieren, ohne dass es seinen Charme verliert. Nach jahrelanger Arbeit freut der Hausbesitzer sich nun darauf, dass weitere Generationen ihre Geschichte mit dem Haus teilen.
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«Mit viel Engagement setzte dieser Herr sich dafür ein, dass das Dosenbachhaus gebührend restauriert werde». Mit diesen Worten stellte Fridolin Kurmann, Präsident des Vereins Stadtmuseum Bremgarten, den Vereinsmitgliedern den Referenten vor. In seinem rund einstündigen Vortrag erläuterte Ernst Fischer den Anwesenden die Vergangenheit und Zukunft des Bremgarter Dosenbachhauses.

Für alle Bremgarterinnen und Bremgarter ist klar: Beim Dosenbachhaus handelt es sich um das historische Gebäude an der Marktgasse 23. Im 19. Jahrhundert bewohnte das Haus die fünfzehnköpfige und wohlhabende Familie Dosenbach, die sich mit ihrem Schuhgeschäft einen Namen machte, der bis heute in aller Munde ist.

Schon länger habe sich Ernst Fischer ein schönes Altstadthaus gewünscht, erklärt der ältere Herr zu den Anfängen seines Gross-Restaurierungsprojekts. «Als ich dann zum ersten Mal das grosszügige Treppenhaus und die schönen hohen Decken sah, hat es Klick gemacht», erinnert er sich. Er beschloss, das Dosenbachhaus zu kaufen.

Mit seiner Wahl kaufte er ein Haus mit reichlich Geschichte. Es besteht aus einem mittelalterlichen Kernbau und wurde das erste Mal 1520 urkundlich erwähnt. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts wurde eine grössere Erweiterung vorgenommen, der Dachstuhl wurde 1593 errichtet. Im späten 19. Jahrhundert erhielt das Haus die Raumeinteilung, die es auch heute noch hat und besteht seither beinahe unberührt.

Rettungsmassnahmen nach langer Vernachlässigung

Kurz darauf galt es, den ersten Schock zu verkraften. «Im Dachgeschoss konnte ich durch die Ziegel hindurch den blauen Himmel sehen», berichtet Ernst Fischer. Durch jahrelange Vernachlässigung des Vorbesitzers seien ausserdem mehrere Böden durchgebrochen. «Das Gebäude war bedenklich schlecht z'wäg», erzählt er den Zuhörenden.

Sofort unternahm Fischer «Rettungsmassnahmen», wie er sie nennt. Das Haus stabilisierte er mit zusätzlichen Balken und stützte das Gebälk mit Gurten. Er ist sich sicher, beim nächsten Schnee wäre das Haus sonst eingestürzt.

Doch damit nicht genug. Im Dachstock hatte sich Hausschwamm gebildet. Dieser normalerweise in Kellern übliche holzzerstörende Pilz hatte sämtliche Balken und gar das Mauerwerk befallen. Für Fischer bedeutete das, viele der historischen Balken absägen zu müssen und Stein um Stein ganze Mauern auszubauen.

Ein Haus, das überregionale Bedeutung trägt

Und doch habe ihm das ebenfalls aufwendige wie kostspielige Projekt auch Freude bereitet. Im ersten Stock, einst die Stube der Dosenbachs, fand Fischer unter etlichen Farbschichten eine originale Bemalung. Äusserst vorsichtig und über Kopf liess er die Decke Schicht für Schicht abkratzen, erzählt er. Das Ergebnis sind Deckenbemalungen im Stil der Historik, um etwa 1870, die Einblick in den Stil der Familie Dosenbach geben.

2018 liess Fischer das ehemalige Gasthaus unter Heimatschutz stellen. Obwohl er sich bewusst war, dass dies die Restauration erheblich verzögern würde. Einzelne Muster der Bemalung wurden abgepaust, Beläge mühsam abgetragen. Fischer berichtet: «Auch nach dieser Arbeit wird die Decke keine Einheit bilden.» Sie sei ein Zusammenspiel aus der alten, originalen Farbe und neu bemalten Stellen. «Die Unterschiede sind sichtbar und das dürfen sie auch sein», erklärt der Hausbesitzer.

Weiter zitiert Fischer aus dem 2018 erstellten Bericht des Denkmalschutzes. Darin wird das Haus auszugsweise als «herausragender Einzelbau» und als «national schutzwürdig» mit «hoher situativer Bedeutung» beschrieben. Seit dem 19. Jahrhundert praktisch unverändert, sei es exemplarisch für die «biedermeiersche Wohnkultur» und trage eine «Nutzungs- und Besitzergeschichte von überregionaler Bedeutung».

Ein Haus, das lebt und eine Seele hat

Worin lag der Reiz, das mehrjährige Projekt auf sich zu nehmen, Geld und Nerven darin zu investieren? Ernst Fischers Antwort ist simpel und tiefgreifend zugleich: «Ich habe Freude an alter Bausubstanz. Dieses Haus lebt und hat eine Seele. Es erzählt die Geschichte so, wie sie wirklich war.» Die befallenen Balken aus dem Jahre 1590 entsorgen zu müssen, habe er nur schwer übers Herz gebracht. «Ich wollte das Haus nicht zu Tode renovieren, sondern seinen Charakter bewahren», sagt Fischer.

Ziel und Resultat seines Vorhabens sei es, zu beweisen, dass man auch aus einer Bauruine begehrte Wohnungen mit einzigartigem Charme erstellen könne. Das Haus soll nämlich keinem Museum gleichen, sondern weiterhin bewohnt werden und auch die Geschichte weiterer Generationen erzählen.

(Hannah Jauch/Aargauer Zeitung)

veröffentlicht: 26. März 2024 07:35
aktualisiert: 26. März 2024 07:35
Quelle: ArgoviaToday

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