Den Kreuzweg mit allen Sinnen erleben

Wie Jesus Christus ein Kreuz schultern oder Verlassenheit und Dunkelheit am eigenen Leibe spüren: Das und mehr ist am Osterweg in Huttwil möglich. Ab Samstag stehen acht Posten für Interessierte im Dorf verteilt bereit – allesamt von der Tourismusorganisaiton Pro Regio Huttwil in Zusammenarbeit mit der katholischen und reformierten Kirchgemeinde aufgestellt.

Der Huttwiler Osterweg nimmt Motive aus dem Kreuzweg auf und erklärt Hintergründe. Ausserdem soll er zum Nachdenken anregen und Bezüge zu aktuellen Themen schaffen. Der gemeinsame Osterweg ist eine Premiere in der Gemeinde – und wie die Akteure sagen: «Dieses Jahr ist Ostern ganz besonders.»

Ein vielschichtiges Programm

Die Posten des Osterwegs zielen vor allem auf das Erleben des Kreuzwegs mit den Sinnen ab. Beim ersten Posten können die Teilnehmenden Brezel backen. Der Brezel-Posten entspricht der ersten Station des klassischen Kreuzwegs. Denn: Der Brezelknoten wurde in früheren Zeiten verwendet, um Häftlinge zu fesseln.

Die einzelnen Posten können ab dem Samstag besucht werden. Manche sind rund um die Uhr geöffnet. Andere hingegen, gerade die, die in Gebäuden stattfinden, öffnen von 13.30 bis 17.30 Uhr. Hier eine Übersicht:

• Posten 1: Brezel backen, Marktgasse 1, Hintereingang
• Posten 2: Balken schultern, Schultheissengasse 2, Gewölbekeller 
• Posten 3: Webstuhl, Walkestrasse 11, Eingang UG, Seite Bach   
• Posten 4: Musikalische Hörbeispiele, Musikschule, Spitalstrasse 14
• Posten 5: Verschiedene Aromen riechen und erraten, Alte Mühle, Sonneggstrasse 6  
  
• Posten 6: Kreuzweg-Bilder betrachten und selbst zeichnen, mit Bildern der Ukrainerin Natascha, Katholische Kriche Bruder Klaus, Südstrasse 5 
• Posten 7: Raum der Stille, Reformierte Kirche am Brunnenplatz  
  
• Posten 8: Mega Ei am Brunnenplatz  
  

Nicht nur «lockere» Posten warten beim Osterweg auf die Teilnehmenden. Wie die Organisierenden vorwarnen, enthält das Bibelgeschehen auch «grausame und antijüdische Motive» – von denen sehen sie in der Attraktion natürlich ab. Auf der anderen Seite sind die «grausamen Ereignisse» der Bibel geschichtstragend. So wird beim zweiten Posten das Tragen des Kreuzes thematisiert. Im Keller des quasi ältesten Hauses von Huttwil kann man schwere Balken schultern – und nachfühlen, wie sich Jesus Christus auf dem Kreuzweg gefühlt haben muss. Diesen Posten betreut Francesco Marra, Pastoralraumleiter des Pastoralraums Oberaargau.

Wie viel Leid kannst du ertragen?

Gleichzeitig kann hier auch Jede und Jeder seine oder ihre Last ablegen – mittels Zettel, die Marra ausdruckt und an eine Wäscheleine hängt. Diese Zitate sind entweder anonym oder mit vollem Namen markiert – ganz nach Belieben der betroffenen Person. «Es ist erstaunlich, was für Geschichten ich zugeschickt bekomme und vor allem, wie viele diese mit der Gesellschaft teilen möchten», sagt Marra, während er die Wäscheleinen zeigt.

Die Beteiligten sind vom Konzept überzeugt. «Es bedeutet uns sehr viel, dass wir gemeinsam diesen Osterweg organisieren können», erklärt Francesco Marra, Es zeige, dass konfessionsübergreifende Zusammenarbeit durchaus möglich sei.

Der Posten Nummer 8 fällt im Dorf wohl am meisten auf. Auf dem Brunnenplatz steht ein metallenes «Mega-Ei». Hier können sich die Teilnehmenden symbolisch in die Situation der Verlassenheit und Dunkelheit begeben. Hier kann man auch ein Licht der Hoffnung anzünden, für einen Mitmenschen oder für sich selbst. Dieses «Mega-Ei» habe laut Gemeindepräsident Walter Rohrbach 10'000 Franken gekostet.

Erstmals ein gemeinsames Osterfeuer

Nicht nur beim Osterweg machen beide Kirchen gemeinsame Sache: Auch die beiden Osterfeuer der Katholiken und Reformierten sollen heuer zusammengelegt werden. Vorher hatten beide Konfessionen in Huttwil ihr separiertes Feuer. Und auch eine andere Neuheit steht bevor: Die katholische und reformierte Kirche will in der Osternacht gemeinsam die Glocken läuten, auch das koordiniert Franceso Marra gemeinsam mit der reformierten Kirche.

Aber wieso ist den Huttwilern überkonfessionelle Zusammenarbeit so wichtig? «Jeder Mensch sucht anders nach Gott – heute noch viel mehr als früher. Uns ist es wichtig zu zeigen, dass wir trotz dieser Verschiedenheit eine Einheit bilden können.» Und das funktioniere in Huttwil gut, die enge Zusammenarbeit bestehe hier schon lange.

Ein Mega-Ei für Huttwil

Dass Ostern in Huttwil dieses Jahr ganz besonders ist, dieser Meinung ist auch Fred Palm vom Pfarrteam der reformierten Kirchgemeinde Huttwil. Er ist verantwortlich für die Generationenarbeit, in die auch der Osterweg fällt. «Wir dürfen auf eine jahrelange, enge Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche zurückschauen. Diese Osteraktionen geben dem noch einen zusätzlichen Schub», sagt Palm.

Und auch für die Gemeinde bedeutet das Projekt nicht gerade wenig. Gemeindepräsident Walter Rohrbach erklärt: «Wir sind in einer grossen Entwicklungsphase, Freizeitgestaltung ist in unserer Gemeinde ein grosses Bedürfnis geworden.» Es sei schön, dass die einheimische, wie auch die regionale Bevölkerung, zur Osterzeit etwas erleben kann.