Mittelland

Raubüberfall Gretzenbach: Obergericht beurteilt Täter als «unbelehrbaren Berufskriminellen»

Gefesselt und geknebelt

Raubüberfall Gretzenbach: Obergericht beurteilt Täter als «unbelehrbaren Berufskriminellen»

06.06.2023, 18:40 Uhr
· Online seit 06.06.2023, 14:24 Uhr
Bei einem Raubüberfall in ein Einfamilienhaus in Gretzenbach 2019 hat ein Täter aus Rumänien einen Rentner und seine Schwiegertochter gefesselt und geknebelt. Das Obergericht verurteilt den Täter zu sieben Jahren Haft und lindert damit das Strafmass des Amtgsgerichts Olten-Gösgen um drei Jahre.
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Mitte März 2019 klingelte es kurz vor Mittag an der Türe eines damals 88-jährigen Rentners in Gretzenbach. Als dieser die Türe öffnete, wurde er von einem 37-jährigen Rumänen in die Wohnung zurückgedrängt und gefesselt. Danach machte sich der Mann auf die Suche nach Diebesgut. Da die Schwiegertochter den Rentner telefonisch nicht erreichen konnte, kam sie vorbei. Der Räuber im Einfamilienhaus brachte auch sie in seine Gewalt und fesselte sie. Währenddessen konnte sich der Rentner von den Fesseln befreien und die Polizei alarmieren.

Der Täter versuchte danach, aus der Liegenschaft zu flüchten. Dabei wurde er von der Polizei angehalten und in Gewahrsam genommen. Bei ihm wurde Diebesgut aus der Wohnung sichergestellt. Der Rentner und seine Schwiegertochter wurden beim Überfall mittelschwer verletzt und mussten in Spitalpflege gebracht werden.

Hohe Strafe beim ersten Prozess 2022

Im April 2022 wurde der Täter vom Amtsgericht Olten-Gösgen zu zehn Jahren Haft mit anschliessendem Landesverweis von 15 Jahren verurteilt. Dieses für Schweizer Verhältnisse ziemlich hoch angesetzte Strafmass begründete das Gericht damals mit dem egoistischen und grobschlächtigen Vorgehen des Täters und mit seinen Vorstrafen, die er für ähnliche Delikte in verschiedenen anderen Ländern bereits kassiert hatte.

Verteidigung und Staatsanwaltschaft haben danach dieses Urteil ans Solothurner Obergericht weitergezogen. Der Täter bestreitet die Tat nicht, möchte aber ein milderes Strafmass. Die Staatsanwaltschaft plädiert für ein höheres Strafmass wegen besonderer Gefährlichkeit.

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Diverse Behauptungen des Täters «unglaubhaft»

Auf die Frage, wie er den Überfall auf den Rentner in Erinnerung habe, sagte der Angeklagte am Dienstag vor dem Obergericht, er könne sich nicht mehr im Detail an den Tathergang erinnern. Es sei alles sehr schnell passiert. Er habe die beiden Opfer aber nicht geschlagen oder getreten. Er wisse zwar heute, dass es gefährlich sei, einen Menschen in Bauchlage zu fesseln, das sei ihm damals aber nicht bewusst gewesen. Er sei in diesem Moment in Panik geraten und habe selber nicht gewusst, was er tat. Er habe die Opfer nicht verletzen wollen.

Dass der Rentner zum Tatzeitpunkt gesundheitlich angeschlagen gewesen sei, habe er nicht gewusst. Der Entscheid für den Raub habe er damals spontan gefasst, als er mit dem Rentner an der Türe gesprochen habe. Gefesselt habe er die beiden Opfer aus Angst, weil er sich nicht erwischen lassen wollte. Diese Aussagen erachtet das Gericht nun als unglaubhaft.

Staatsanwaltschaft fordert zwölf Jahre Haft wegen Lebensgefahr

Die Staatsanwaltschaft geht bei der Tat vor allem im Falle der überfallenen Frau davon aus, dass der Täter diese bewusst in Lebensgefahr bringen wollte. Der Täter habe das Opfer so geknebelt, dass alle Atemorgane verschlossen gewesen seien. Deshalb habe die Frau nach der Tat verschiedene Erstickungsmerkmale aufgewiesen. Dazu habe der Täter die Frau gefesselt in der gefährlichen Bauchlage zurück gelassen. Damit habe er den Tod des Opfers bewusst in Kauf genommen.

Der Täter sei als Kriminaltourist einzig für solche Delikte in die Schweiz gereist und habe bei der Tat rein egoistisch gehandelt. Deshalb beantragt die Staatsanwaltschaft eine Gesamtstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten für mehrfachen qualifizierten Raub mit Lebensgefahr und Hausfriedensbruch.

Verteidigung fordert sechs Jahre wegen Mangel an Beweisen für die Schläge

Der Amtsverteidiger wies in seinem Plädoyer darauf hin, dass mit den medizinischen Gutachten der beiden Opfer die Schläge oder Tritte nicht bewiesen werden könnten. Die Verletzungen der beiden könnten auch von der Rangelei mit dem Täter stammen. Die Schwiegertochter war dabei mit dem Täter die Kellertreppe hinunter gestürzt.

Die Verteidigung hat dazu auch noch ausgeführt, dass der Täter bei der Fesselung und Knebelung seiner Opfer dafür gesorgt habe, dass sich diese wieder hätten befreien können. Die Füsse des Rentners seinen nicht gefesselt worden und der Knebel der Schwiegertochter habe nur den Mund bedeckt, nicht aber alle Atemorgane. Die Verteidigung geht deshalb bei der Tat nicht von expliziter Lebensgefahr aus. Sie beantragt beim Obergericht eine Reduzierung der Strafe auf sechs Jahre.

Täter sei «ein unbelehrbarer Krimineller»

Der Täter bekannte sich auch vor Obergericht schuldig. Er müsse für seine Tat bestraft werden. Er wisse aber heute, dass er nie mehr so etwas machen werde. Er habe im Gefängnis eine Therapie gegen seine Spielsucht gemacht und sei heute ein anderer Mensch. Er hoffe, dass ihm das Gericht noch einmal eine Chance gebe, damit er sich um seine Frau und die beiden Kinder in Rumänien kümmern könne.

Das Obergericht verurteilt den Täter zu sieben Jahren Haft. Damit reduziert das Obergericht das Strafmass des Amtsgerichts Olten-Gösgen um drei Jahre. Dieses hatte den Rumänen in erster Instanz zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Das Gericht begründet das Urteil damit, weil nicht erwiesen sei, dass:

  • der Rentner geschlagen worden sei.
  • der Rentner an den Füssen gefesselt worden sei.
  • das Opfer in Bauchlage gefesselt worden sei.

Beim Rentner sei eine Lebensbedrohung nur schon wegen des hohen Alters gegeben. Bei der Frau glaubt das Gericht vollumfänglich dem Opfer: Die Anklageschrift lasse keine Anklage mit Lebensgefahr zu, es werde lediglich auf die medizinischen Gutachten verwiesen. Deshalb entscheidet das Gericht nur für besondere Gefährlichkeit und nicht für Lebensgefahr. Für eine Verurteilung reiche das nicht. Die vielen Strafen wirken sich straferhöhend aus, der Täter sei ein «unbelehrbarer Krimineller».

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann ans Bundesgericht weitergezogen werden.

veröffentlicht: 6. Juni 2023 14:24
aktualisiert: 6. Juni 2023 18:40
Quelle: 32Today

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