Burgdorfer Willkommensklassen

Schulleiter: «Die Kinder schämen sich, weil es ihnen hier so gut geht»

· Online seit 05.07.2023, 10:22 Uhr
Der Krieg in ihrer Heimat ist für ukrainische Schulkinder und Lehrkräfte sehr belastend. Auf dem Handy sind sie ständig auf dem Laufenden. Lehrerinnen müssen manchmal den Unterricht unterbrechen, weil sie wegen der Geschehnisse in der Ukraine in Tränen ausbrechen. Ein Burgdorfer Schulleiter erzählt.
Jonathan Konrad
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Seit über einem Jahr gibt es in Burgdorf nun die Willkommensklassen mit ukrainischen Kindern. Und das sind nicht wenige. Der Schulleiter dieser speziellen Klassen, Heinz Begré, zählt 11 Schulklassen, 140 Schülerinnen und Schüler sowie 31 Lehrerinnen und Lehrer. Davon sind 17 Lehrerinnen Frauen, die wie die Kinder aus der Ukraine in die Schweiz geflüchtet sind.

Das Problem mit den Handynachrichten

Via Handy erhielten sie ständig Informationen und Videos vom Krieg, sei es wegen eines Alarms oder wegen eines Bombenangriffs, schildert der Schulleiter. Auf der Oberstufe ist das Handy-Problem grösser. «Die kleineren Kinder kann man in der Schule mehr ablenken», sagt Heinz Begré.

Inzwischen hat die Schule eine Psychologin angestellt. Sie erreichte, dass die Kinder das Handy weniger brauchen und sich so besser auf den Unterricht konzentrieren können.

Belastend für die ukrainischen Schülerinnen und Schüler sei auch, dass es ihnen hier in der Schweiz viel besser gehe als ihren Verwandten in der Heimat, im Kriegsland. «Die Kinder hier in den Willkommensklassen schämen sich dafür», so Begré.

Traumatisierte Lehrerinnen und Schüler

Auch die ukrainischen Lehrerinnen in Burgdorf sind zum Teil traumatisiert, wie der Schulleiter schildert. Sie würden manchmal in Tränen ausbrechen und könnten dann nicht unterrichten. Wenn die betroffenen Lehrerinnen deswegen eine Pause machen müssen, kann eine Klassenhilfe übernehmen.

Ein Bruder einer Lehrerin musste auf einmal einrücken, als Arzt an die Front. Dies sei sehr einschneidend, sagt Begré. Es gebe auch das Beispiel eines Kindes, das mit der Grossmutter in der Schweiz sei, von Mutter und Vater getrennt lebe und nicht wisse, wo sich der Vater befindet.

Nun stehen die Sommerferien an. «Viele Kinder möchten in die Ukraine reisen und ihre Väter besuchen, obwohl dies gefährlich ist», weiss Begré. In der Heimat zu bleiben, sei aber kaum möglich. Heinz Begré weiss von zwei Familien, bei welchen jeweils ein Elternteil zurück in die Ukraine musste, da sie sonst ihre Arbeitsstelle verloren hätten.

Nach den Sommerferien geht es auch für die meisten Schüler in der Schweiz weiter: 71 von den 120 Schülerinnen und Schülern werden in anderen Klassen integriert, die Neuntklässler besuchen Anschlussschulen und 29 Kinder können noch nicht integriert werden, da sie «vorbelastet» seien, so Begré.

veröffentlicht: 5. Juli 2023 10:22
aktualisiert: 5. Juli 2023 10:22
Quelle: BärnToday

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