Mittelland
Solothurn / Grenchen

Rüffel für Solothurner Amtsgericht nach Corona-Demo

Rechtliches Gehör verweigert

Rüffel für Solothurner Amtsgericht nach Corona-Demo

09.08.2023, 12:14 Uhr
· Online seit 09.08.2023, 12:08 Uhr
Das Amtsgericht Solothurn-Lebern muss sich noch einmal mit Corona-Nachwehen befassen. Das Verfahren gegen einen Maskenverweigerer muss erneut verhandelt werden, denn das Gericht hat sich Verfahrensfehler geleistet.
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Im Mai 2021 demonstrierten Corona-Massnahmenkritiker in Solothurn. Einige trugen dabei keine Gesichtsmaske, wie das damals noch vorgeschrieben war. Deshalb wurden Bussen ausgesprochen. Ein Teilnehmer zog wegen der Busse von 100 Franken für «unbefugtes Nichttragen einer Gesichtsmaske an einer politischen oder zivilrechtlichen Kundgebung» bis vor das Solothurner Obergericht.

Amtsgericht hat es sich zu einfach gemacht

Das Amtsgericht muss denn Fall nun noch einmal neu beurteilen. Dieses hatte es sich im ersten Prozess gegen den Maskenverweigerer offenbar zu einfach gemacht, wie die Solothurner Zeitung schreibt. Die Verurteilung passierte einzig aufgrund der Akten. Auf die Befragung von Zeugen oder die Sichtung von Berichten oder Beweisen wurde verzichtet.

Der Mann hatte einen Bussenzettel mit Bedenkfrist bekommen, darauf aber nicht reagiert. Gegen den folgenden Strafbefehl der Staatsanwaltschaft erhob der Beschuldigte Beschwerde. Im Februar 2022 kam es deshalb zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Solothurn-Lebern. Dabei wurden der Schuldspruch und die Busse von 100 Franken bestätigt. Dazu kamen Verfahrenskosten von 480 Franken.

Gegen dieses Urteil reichte der Verurteilte Berufung bei der Strafkammer des Obergerichts ein. Diese weist nun den Berufungskläger und die Vorinstanz gleichermassen zurecht. Ersteren wegen ungebührlicher Äusserungen gegenüber Beamten des Kantons, das Amtsgericht wegen klarer Verfahrensmängel.

Drei gleiche Verhandlungen mit grossen Unterschieden

Am Verfahrenstag waren am Gericht drei praktisch gleiche Verhandlungen gegen Kundgebungsteilnehmer angesetzt und es wurden drei praktisch gleiche Urteile gefällt. Die Verfahren liefen aber völlig unterschiedlich ab. Während in einem Fall umfangreiche Beweise wie Videoaufnahmen und Schreiben von Staatsanwaltschaft und Kantonspolizei gesichtet und ein Polizist als Zeuge befragt wurden, gab es im Verfahren gegen den Beschwerdeführer nichts dergleichen.

Zwar hatte dieser den Einsatzleiter der Polizei in seiner Eingabe ans Obergericht mit «Ausdrücken des nationalsozialistischen Systems» bedacht und damit aus Sicht der Oberrichter klar eine Grenze überschritten. Dies ändere aber nichts daran, dass ihm in der Verhandlung vor dem Amtsgericht das rechtliche Gehör hätte gewährt werden müssen.

Es gebe keine Begründung dafür, die ähnlich gelagerten Fälle derart unterschiedlich zu behandeln und im vorliegenden Fall quasi ohne Beweisverfahren abzuschliessen. In der Fachsprache nennt man dies einen «unheilbaren Mangel». Das Amtsgericht Solothurn-Lebern muss den Fall noch einmal neu verhandeln, auch wenn sich am Ergebnis wohl wenig ändern wird. Der Maskenverweigerer wird kaum um seine Busse herumkommen. 

(ma)

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veröffentlicht: 9. August 2023 12:08
aktualisiert: 9. August 2023 12:14
Quelle: 32Today

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