Schweiz

IDAHOBIT-Tag: Mehr trans Personen melden Angriffe

Hate Crimes

«Es ist besorgniserregend»: Mehr trans Menschen melden Angriffe

17.05.2023, 08:26 Uhr
· Online seit 17.05.2023, 05:31 Uhr
LGBTIQ-feindliche Hate Crimes sind in der Schweiz alltäglich. Nun hat sich die Situation deutlich verschärft. Dachverbände fordern Politik und Zivilgesellschaft dringend zum Handeln auf. Man müsse hinschauen, sagt der Geschäftsleiter von Pink Cross.
Anzeige

So viele LGBTIQ-Personen wie noch nie meldeten in der Schweiz 2022 sogenannte Hate Crimes – Angriffe und Diskriminierungen. Insgesamt sind 134 Meldungen bei der Helpline eingegangen. Ein Drittel davon stammte von trans Personen. Bei Angriffen gegen trans Personen wird zudem von einer besonders hohen Dunkelziffer ausgegangen.

«Die Zahlen sind sehr besorgniserregend», sagt Pink-Cross-Geschäftsleiter Roman Heggli im Gespräch mit der Today-Redaktion. «Jedes Jahr werden mehr Hate Crimes gemeldet.» Das Problem sei zwar bekannt, doch in der Politik passiere nur wenig. Sogar das Gegenteil sei der Fall, so Heggli. «Medien und politische Akteure verbreiten eine queer-feindliche Stimmung, die die Rechte von queeren Menschen infrage stellt», so Heggli.

Die meisten Tätlichkeiten werden in Zürich gemeldet

Die meisten Hate Crimes sind 2022 im Kanton Zürich passiert – insgesamt 44 von den 134 schweizweiten. Dass LQBTIQ-Personen im Kanton Zürich sichtbarer sind als in anderen Kantonen, könne das erklären, heisst es in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht.

In 80 Prozent aller Fälle werden LGBTIQ-Personen beschimpft und beleidigt. Knapp 20 Prozent erlebten physische Gewalt. «Mit knapp einem Drittel der Fälle sind und bleiben trans Personen übermässig stark betroffen», heisst es im Bericht weiter. Der Anteil der nicht-binären Personen hat von 14 auf 24 Prozent zugenommen. Dies sei «besonders besorgniserregend», da alt Bundesrat Ueli Maurer sich binär-feindlich geäussert habe (Today berichtete darüber).

Besonders betroffen sind junge Menschen. Etwa zwei Drittel der eingegangenen Meldungen sei von Unter-30-Jährigen erfolgt.

Keine sachliche Reaktion der Polizei

Nur elf Prozent der Angriffe und Diskriminierungen wurden angezeigt. Wer bei der Polizei Anzeige erstattete, erlebte nur teilweise eine sachliche Reaktion der Polizei. Ein Drittel der Meldenden berichtete laut Report von Herablassung und Spott.

«Wir haben offensichtlich ein Problem, wenn mindestens dreimal pro Woche eine Person wegen ihrer Geschlechtsidentität oder sexuellen Orientierung angegriffen wird», sagt Roman Heggli. Er fordert: «Da muss man hinschauen!»

Bilden die Resultate die Realität ab?

Heggli fordert von Politik und Medien Massnahmen. Der Bund solle möglichst rasch den Aktionsplan gegen Queerfeindlichkeit umsetzen, der vor knapp einem Jahr vom Nationalrat gefordert wurde.

Es braucht auch deshalb Massnahmen, weil viel mehr Menschen von Hate Crimes betroffen sind, als die LGBTIQ-Helpline dokumentiert hat. «Die Erfassung zeigt nur die Spitze des Eisbergs», bestätigt Roman Heggli. «Wir haben eine riesige Dunkelziffer.» Sobald die Helpline in den Medien präsenter sei, meldeten mehr Personen Hate Crimes.

Es sollen Massnahmen her

Von den Medien wünscht sich Heggli, dass mehr mit queeren Menschen geredet und weniger queer-feindliche Stimmung verbreitet werde. Heggli hebt besonders die angestiegene Gewalt gegenüber nicht-binären Menschen hervor: «Die Daseinsberechtigung von non-binären Menschen wird infrage gestellt und es wird viel Hass geschürt.» Staat und Politik sollen non-binäre Menschen anerkennen.

Betroffene leiden unter psychischen Folgen

Doch nicht nur Medien und Politik stünden in Verantwortung – auch jede und jeder einzelne solle «Zivilcourage zeigen, hinschauen und sich selbst hinterfragen», so Heggli. Wer ein Unbehagen gegenüber queeren Personen verspüre, solle mit ihnen in Kontakt treten, statt seiner Wut am Stammtisch Dampf abzulassen.

Von Hate Crimes betroffene Menschen leiden psychisch langfristig unter den Folgen. Manche LGBTIQ-Menschen versuchen danach, ihre Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit zu verringern, was aber insbesondere nicht allen trans Personen möglich ist.

Queere Personen können sich selbst schützen, indem sie Selbstverteidigungskurse besuchen. So wüssten sie, wie sie im Falle eines Angriffs reagieren können, erklärt Heggli. Ausserdem rät er: «Seid in der queeren Community unterwegs und gewinnt Selbstvertrauen, dass ihr okay seid, so wie ihr seid.»

veröffentlicht: 17. Mai 2023 05:31
aktualisiert: 17. Mai 2023 08:26
Quelle: Today-Zentralredaktion

Anzeige
Anzeige
32today@chmedia.ch