Die Gesellschaft hielt Wenzel Strapinski lange für einen polnischen Grafen, da er immer gut gekleidet war. Doch als herauskam, dass es sich bei dem jungen Mann eigentlich um einen Schneidergesellen handelte, kehrte sie ihm den Rücken. So erzählt es der Schweizer Dichter Gottfried Keller in seiner Novelle «Kleider machen Leute» von 1874.
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Schon damals hoben sich die Gutbetuchten in der Gesellschaft durch ihre Kleidung vom Pöbel ab. Doch auch wenn wir heutzutage in der Schweiz nicht mehr von einer Mehrklassengesellschaft sprechen, spielt die Kleidung noch immer eine grosse Rolle.
Die Gesellschaft hat Vorurteile
Psychologe Eldar Shafir zeigte anhand eines Experiments, dass dieselbe Person in verschiedenen Outfits unterschiedlich eingeschätzt wurde. Dazu bildete er den Kopf eines Mannes mit verschiedenen Oberteile ab und zeigte diese Bilder seinen Probanden. Diese hielten klar die reicher wirkende Person für fähiger.
@joana_health Ich liebe Jogger, aber der Unterschied ist schon jedes mal krass 😂 lG: joana_health 💕 #berlin #outfitcheck #fashion #outfit #mindset ♬ Mondello x Ceres - Mønde//ø
Unsere Kleidung ist Teil der nonverbalen Kommunikation. «Sie wurde immer mehr zum Mittel, um sich selbst auszudrücken», so Sandra Gilgen, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universitäten Zürich und Bern. «Kleider sind schon lange nicht mehr nur Schutz vor Kälte. Vielleicht war es das noch nie.»
So haben wir es gelernt
«Es wirkt auf uns, wenn jemand im Anzug vor uns steht», bestätigt Gilgen. «Es vermittelt Autorität, Professionalität, eine gewisse soziale Distanz.» Laut Gilgen haben wir gelernt, dass ein Anzug mit Prestige und Geld verknüpft ist. «Was dazu führt, dass Menschen im Anzug eher geglaubt wird und man ihnen eher etwas durchgehen lässt. »
Ein kleiner aber feiner Unterschied
Bei Frauen und Männern hat das Outfit nicht immer die gleiche Wirkung auf die Gesellschaft. «Die meisten Männer müssen sich nicht gross Gedanken machen, was sie anziehen, wenn sie zum Beispiel einen Vortrag halten.» Sie würden mit einem Anzug als kompetent angesehen.
«Frauen müssen sich dagegen diese Gedanken machen. Habe ich jetzt einen Blazer an oder nicht, ist der Ausschnitt zu tief, wirke ich zu hart, wirke ich professionell?» Bei Frauen sei dies ein sehr schmaler Grat und es sei schwer, sich dabei «richtig» zu kleiden. «Wir denken in Stereotypen. Meistens stellen wir uns in hohen Positionen deshalb auch einen Mann im Anzug vor», ergänzt Gilgen.
Am wichtigsten ist, dass man sich darin gut fühlt
Weiter erklärt sie, dass es normal sei, dass wir anhand unserer Kleidung unterschiedlich wahrgenommen werden. «Man fühlt sich vielleicht auch ein bisschen anders, je nachdem was man anhat.» Wenn wir tragen, worin wir uns gut fühlen, kann dies zu mehr Selbstvertrauen führen, was wiederum auf die Aussenwelt abfärbt. Am Schluss ist es also weniger wichtig, was du im Alltag trägst, sondern wie du dich darin fühlst.