Schwanger im Leistungssport

Wie vereinbar sind Fussball und Familie wirklich?

· Online seit 21.02.2024, 07:07 Uhr
Eine Schwangerschaft kann schön sein, ist aber genauso auch herausfordernd. Zusätzlich kompliziert wird es, wenn der Körper auch das Kapital ist – so beispielsweise als Profisportlerin. Was bedeutet eine Schwangerschaft für die Karriere? Und wie vereinbar sind Fussball und Familie wirklich?
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«Die Regeln waren bislang nicht sehr frauen- oder schwangerschaftsfreundlich. Wenn eine Frau sich entschieden hat, schwanger zu werden – oder einfach schwanger geworden ist – dann hat sie in der Regel die Karriere abgebrochen», erklärt Lucien Valloni, Präsident der Swiss Association of Football Players (SAFP) gegenüber ArgoviaToday.

Dies bestätigt auch Meriame Terchoun, Profifussballerin der Schweizer Nationalmannschaft und aktuell beim französischen Klub FCO Dijon unter Vertrag. «Wir sind noch nirgends. Das Bewusstsein ist noch nicht da. Genauso fehlen die Infrastrukturen und kompetente Fachpersonen, die eine Mutter unterstützen. Auch wenn du schwanger bist, bist du noch zu einem gewissen Grad am Weitertrainieren, damit du deinen Platz im Fussball nicht verlierst.»

Der erste Schritt eines langen Weges

Mittlerweile seien durch Verhandlungen mit dem Weltfussballverband Fifa aber Veränderungen im Gange, es seien bereits Schutzmassnahmen und Regeln eingeführt worden, so Valloni. «Unter anderem ist auch ein Recht für die Spielerin, an den Arbeitsplatz zurückzukehren, darin verankert. Und das ist schon sehr wichtig», sagt Valloni. Ausserdem könne die Spielerin entscheiden, ob sie weiterspielen will oder nicht – natürlich immer unter ärztlicher Betreuung. Auch 14 Wochen bezahlte Absenz gehöre für Frauen mit Profivertrag mittlerweile zum Mutterschutz. Diese können vor oder nach Geburt bezogen oder auch aufgeteilt werden.

Dies sei zwar ein erster wichtiger Schritt, es brauche aber noch mehr, sagt Valloni: «Ich glaube, was es noch braucht, ist Aufklärung darüber, dass die Spielerinnen bestimmte Rechte haben. Frauen, die während der Schwangerschaft nicht weiter spielen wollen, dürfen vom Club verlangen, dass sie anderweitig eingesetzt werden – bei vollem Lohn.» Eine Kündigung während der Schwangerschaft sei sowohl nach Fifa-Regeln als auch des Schweizer Rechtes wegen missbräuchlich. Diesbezüglich gäbe es für die Clubs Sanktionen. «Diese Regeln gelten. Im Sinne der Transparenz ist es allerdings nicht gerade förderlich, wenn sie nicht im Vertrag stehen», kritisiert Valloni. Dort gebe es Nachholbedarf.

Vereine wären mit der Situation überfordert

Meriame Terchoun schätzt das Risiko, den Profivertrag zu verlieren, wenn man als Fussballerin schwanger wird, mittlerweile nicht mehr so hoch ein. «Früher war es noch sehr hoch. Der Kündigungsschutz der Fifa hat es für die Vereine aber schwieriger gemacht, die Verträge einfach aufzulösen. Aber das Bewusstsein für die Situation ist noch nicht da.»

Die Realität sei bei weitem nicht so fortschrittlich, wie sie sein könnte oder müsste, so die Profifussballerin. Bisher habe es in der Schweiz – soweit sie wisse – noch keine aktive Profifussballerin gegeben, die schwanger wurde. Die Vereine wären mit so einer Situation wohl überfordert: «Ich gehe davon aus, dass sich der Verband wie auch die Vereine bis zum Eintreffen einer solchen Situation noch keine Gedanken darüber gemacht haben, geschweige denn darauf vorbereitet sind.» Es herrsche manchmal nach wie vor eine gewisse «wenn du schwanger wirst, bist du weg vom Platz»-Mentalität.

Das Bewusstsein fehlt

Sind Fussball und Familie also nicht vereinbar? «Ich glaube, das ist schon ein Thema, das noch Veränderungen braucht im Denken. Ich glaube, das ist etwas, das aber auch bei den Männern einsetzen muss – mit dem Vaterschaftsurlaub beispielsweise. Je mehr Spieler sich der Rechte bewusst sind, die sie haben, und das Kind vor die Arbeit stellen, desto normaler wird es dann», meint Valloni.

Im Moment werde diese Prioritätensetzung allerdings noch als kontrovers angesehen. Für Valloni ist aber klar: «Kinder hat man nicht alle Tage. Wir als Spielervereinigung müssen noch ein wenig Aufklärungsarbeit leisten, dass die Frauen auch selbstbewusster mit dieser Situation umgehen und sich bewusst sind, dass es auch möglich sein muss.»

Die Profifussballerin Meriame Terchoun ist sich sicher: Es ist möglich. Dafür brauche es aber noch grosse strukturelle Veränderungen. «Ich denke, dass es im Ausland doch einige Beispiele von schwangeren Aktiv-Fussballerinnen in der Vergangenheit gab. Es werden immer mehr Frauen, die Kinder auf die Welt gebracht haben und danach wieder auf den Platz zurückkehren. Daher ist es sicher möglich. Nur glaube ich, die Vereine sind absolut nicht darauf vorbereitet. Solange wir noch nicht einmal zyklusorientiert trainieren, wie will man denn mit einer Schwangerschaft umgehen? Das Bewusstsein für den weiblichen Körper und die Fähigkeiten eines weiblichen Körpers sind nur wenigen Verantwortlichen im Frauenfussball bewusst.»

Valloni pflichtet ihr bei – es gebe noch viel zu tun. Und das werde nicht einfach: «Ich habe da schon ein bisschen Bedenken, ob da noch mehr kommt. Im Moment werden ja nicht einmal die geltenden Regeln umgesetzt. Aber ich lasse mich positiv überraschen.» Zum Schluss verspricht der SAFP-Präsident: «Sobald eine Person schwanger ist, werden wir mit Hilfe zur Seite stehen, um die Ansprüche, die bestehen, auch durchzusetzen.»

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veröffentlicht: 21. Februar 2024 07:07
aktualisiert: 21. Februar 2024 07:07
Quelle: ArgoviaToday

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