Militär

Rekrut zusammengebrochen – sind Armee-Führungskräfte zu hart?

04.12.2023, 07:08 Uhr
· Online seit 04.12.2023, 06:38 Uhr
Für einen Aargauer Rekruten endete der 15 Kilometer lange Marsch in Erlinsbach auf der Intensivstation. Trotz eines Schwächeanfalls drängten ihn seine Vorgesetzten zum Weiterlaufen. Kämpft die Armee mit einem Führungsproblem?
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Nur mit viel Glück überlebte der Rekrut den Hitzeschlag. Er ist davon überzeugt, dass der Unfall hätte verhindert werden können, wenn seine Vorgesetzten auf ihn gehört hätten. «Wenn man sagt, es geht nicht mehr, dann muss man das auch ernst nehmen», sagt der Rekrut gegenüber Tele M1. Er finde es einfach schlimm, dass so etwas passieren kann.

Schwindel und Unwohlsein während Marsch

Vor sechs Jahren musste der damalige Grenadier-Rekrut bei 33 Grad einen 15 Kilometer langen Marsch absolvieren. Dabei wurde ihm so schwindelig, dass er von seinen Kameraden gestützt werden musste. «Man hat mich dann trotzdem motiviert, weiterzumachen», so der damalige Rekrut weiter. Daraufhin klappte er zusammen und wachte vier Tage später auf der Intensivstation wieder auf. Laut den Ärzten hatte er den Zwischenfall nur knapp überlebt.

Die Aargauer SVP-Nationalrätin Stefanie Heimgartner absolvierte ebenfalls die Rekrutenschule. Für sie ist klar: Das Militär muss diesen Vorfall aufarbeiten und die Vorgesetzten entsprechend sensibilisieren. «Wenn jemand sagt, er mag nicht mehr, dann muss man das einschätzen können. Ist es jetzt wirklich so oder übertreibt die Person einfach? Da jeweils mehrere Vorgesetzten vor Ort sind, dann sollte eine solche Einschätzung möglich sein.

Erwarten Armee-Vorgesetzte zu viel?

Einen etwas anderen Blick auf diesen Vorfall hat der Aargauer SVP-Grossrat Stefan Giezendanner. Er ist Oberstleutnant und hat bislang keine solche Erfahrung gemacht. Es handle sich dabei im Schweizer Militär um einen Einzelfall, ein Problem mit zu motivierten Führungskräften gebe es nicht. «Es handelt sich hierbei um einen Rekruten der Grenadiere, einer Elitetruppe. Dort müssen insbesondere körperlich die besten Menschen sein», so Giezendanner gegenüber Tele M1. Deshalb dürfe man auch ein gewisses Leistungsniveau erwarten.

Für die Gruppe Schweiz ohne Armee GSoA kann hier nicht von einem Einzelfall gesprochen werden. Sie würden jede Woche Anrufe von Rekruten erhalten, die sich über ihre Vorgesetzten beschweren. «Sie leiden unter der Führungskultur und stehen unter grossem Druck. Das führt auch dazu, dass sie in Situationen kommen, wo sie über ihre Grenzen hinaus gehen müssen», sagt Roxane Steiger, politische Sekretärin bei der GSoA.

Das Militärgericht beurteilte den ganzen Fall anfangs November und sprach die drei Vorgesetzten des zusammengebrochenen Rekruten frei. Der zuständige Auditor, quasi der Staatsanwalt, zieht das Urteil weiter.

(ova)

veröffentlicht: 4. Dezember 2023 06:38
aktualisiert: 4. Dezember 2023 07:08
Quelle: Tele M1/ArgoviaToday

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