Wahlen Aargau

Überraschung perfekt: Marianne Binder wird neue Mitte-Ständerätin

19.11.2023, 15:06 Uhr
· Online seit 19.11.2023, 15:00 Uhr
Marianne Binder gelingt ein Coup: Die Mitte-Politikerin gewinnt den zweiten Ständeratswahlgang gegen Benjamin Giezendanner von der SVP klar. Was sind die Gründe für diesen Sieg? Und welche Rolle spielte das Mitte-Links-Bündnis?

Quelle: Tele M1 / ArgoviaToday

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Es ist keine Sensation. Aber es ist eine Überraschung. Marianne Binder von der Mitte schlägt SVP-Konkurrent Benjamin Giezendanner am Ende klar. Binder holte 84'431 Stimmen und damit knapp 5000 Stimmen mehr als Giezendanner.

Doch so klar wie es das Schlussresultat vermuten lässt, war der Wahlsonntag bei Weitem nicht. Lange waren Giezendanner und Binder gleich auf, es zeichnete sich das häufig prognostizierte Kopf-an-Kopf-Rennen ab. In einigen Gemeinden machten nur eine Handvoll Stimmen den Unterschied. So etwa in Jonen (Giezendanner 308 Stimmen, Binder 305) oder in Mumpf (Giezendanner 94, Binder 96).

Die Städte machten den Unterschied

Nachdem ein Drittel der Gemeinden ausgezählt war, lag Giezendanner noch vorn. Er gewann erwartungsgemäss die meisten kleinen und ländlichen Gemeinden. Doch Binder konnte überraschend gut mithalten und auch in den traditionell konservativen Regionen viele Stimmen verbuchen. Beispielsweise in Rothrist, der Heimatgemeinde von Benjamin Giezendanner. Der SVPler gewann die Ausmarchung in «seiner» Gemeinde zwar und holte 1035 Stimmen, doch Binder konnte ebenfalls 710 Stimmen verbuchen – das sind sehr viele im Hoheitsgebiet ihres Konkurrenten.

Doch dann kamen die ersten Resultate aus den Städten. Binder gewann ihre Heimatgemeinde Baden klar, holte 4113 Stimmen und damit rund 3500 mehr als Giezendanner. Ähnliches Bild auch in Aarau: Binder schlug Giezendanner in der Kantonshauptstadt deutlich, mit 4183 zu 1935 Stimmen.

Konnte Mitte-Links besser mobilisieren?

Diese Tatsache deutet darauf hin, dass das Mitte-Links-Päckli besser mobilisieren konnte. Schon früh hatten SP, GLP und Grüne ihre eigenen Kandidaturen zurückgezogen und die Mitte-Kandidatur von Marianne Binder unterstützt. Traditionell stark in den Städten, haben nun wohl die Linken Binder zum Sitz im Stöckli verholfen. «Offensichtlich ist die Wählerschaft von Mitte-Links stärker an die Urne gegangen, als man hätte vermuten können», sagt Politologe Mark Balsiger.

Quelle: Tele M1 / ArgoviaToday

Die SVP auf der anderen Seite, konnte ungleich gut mobilisieren. Die Frage bleibt zunächst offen, ob dies auch an den FDP-Wählerinnen und Wählern lag, die «ihren» Ständerat Thierry Burkart bereits im ersten Wahlgang ins Stöckli befördert hatten und nun kaum mehr Grund hatten, die SVP zu unterstützen.

Dazu kam ein Knatsch innerhalb der FDP, der in den vergangenen Wochen für Schlagzeilen sorgte: Nachdem der Vorstand der Freisinnigen offiziell die SVP-Kandidatur unterstützte und Benjamin Giezendanner zur Wahl empfahl, äusserten sich mehrere FDP-Vertreter kritisch. Unter anderem kündigte Nationalrat Matthias Jauslin an, er werde Giezendanner nicht unterstützen. Wie viele FDP-Wählerinnen und -Wähler dies auch so handhabten, müssen in den nächsten Wochen die Nachbefragungen zeigen.

Giezendanner: «Es tut weh im Herzen»

Und so muss die SVP nach dem zweiten Wahlgang ihre Wunden lecken. Den Sitz im Stöckli, den sie erst vor vier Jahren mit Hansjörg Knecht erobert hatten, müssen sie ihn bereits wieder abgeben. Kurz nach der Wahl sagte ein sichtlich enttäuschter Benjamin Giezendanner denn auch, dass es ihm «im Herzen wehtut».

Quelle: Tele M1 / ArgoviaToday

Wie schon sein Vater vor ihm, schafft es Giezendanner (vorerst) nicht in den Ständerat. Immerhin: Der Transportunternehmer bleibt in Bundesbern vertreten, seinen Nationalratssitz hatte er sich schon am 22. Oktober gesichert.

Binder: «Es ist ein historischer Erfolg»

Und bekannterweise ist des einen Leid des anderen Freud. Im konkreten Fall ist Marianne Binder, die der Mitte nach fast 30 Jahren wieder einen Aargauer Sitz in der kleinen Kammer beschert, die Glückliche. Von einem «historischen Erfolg» sprach sie denn auch kurz nach der Wahl.

Quelle: Tele M1 / ArgoviaToday

Sie sei, ganz entgegen ihrem Naturell, aussergewöhnlich nervös gewesen am Morgen des Wahlsonntags. «Dann kamen die Resultate und es wurde knapp und knäpper, es war ein schwieriger Morgen». Umso grösser die Freude und Erleichterung nach dem Sieg.

Die grossen Fussstapfen

Auch bei Binder war die Wahl so etwas wie eine Familienangelegenheit, denn ihr Schwiegervater Julius Binder war bereits CVP-Ständerat. Sie habe nun grosse Fussstapfen auszufüllen, sagt Binder. «Ich war immer sehr stolz auf meinen Schwiegervater und seine politische Arbeit.»

Sie sei sehr dankbar für die Unterstützung aus dem linken Lager, so Binder weiter. «Sie kannten meine Positionen und verlangten nicht, dass ich mich verbiege. Das schätze ich sehr». Sie wolle das Vertrauen nun zurückzahlen, indem sie im Ständerat Politik für alle mache, sagt Binder – ganz die Mitte-Politikerin.

veröffentlicht: 19. November 2023 15:00
aktualisiert: 19. November 2023 15:06
Quelle: ArgoviaToday

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