In Österreich wurde die rechte FPÖ stärkste Kraft. In Deutschland erzielte die AfD ihr bislang bestes Ergebnis und kam hinter der Union auf Platz zwei.
Europaweit gewannen die zwei bisherigen rechtspopulistischen Parteienbündnisse EKR und ID teils deutlich hinzu. Insgesamt bleibt das klar proeuropäische Lager im Europaparlament aber weiter das mit Abstand grösste. Selbst wenn sich alle rechten Parteien zusammenschliessen würden, kämen sie voraussichtlich auf weniger als 200 Sitze und wären damit von einer Mehrheit weit entfernt. Diese liegt bei 361 Sitzen.
Sieger der Europawahl ist das Mitte-Rechts-Bündnis EVP mit der deutschen Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen. Die CDU-Politikerin kann auf eine zweite Amtszeit als Präsidentin der EU-Kommission hoffen.
Italien: Meloni setzt sich durch
Melonis Partei kam in Italien nach einer Hochrechnung des Fernsehsenders Rai auf 27,7 Prozent - im Vergleich zur Europawahl 2019 ein Plus von mehr als 20 Punkten. Auf Platz zwei landete demnach ein linkes Bündnis um die sozialdemokratische PD mit 23,7 Prozent.
Meloni war bei der Wahl auch Spitzenkandidatin der Fratelli d'Italia, die ihre Ursprünge in der postfaschistischen Bewegung haben. Sie will aber nicht ins Europaparlament wechseln, sondern als Ministerpräsidentin in Rom bleiben. Die 47-Jährige steht seit Oktober 2022 an der Spitze einer Koalition aus drei Rechtsparteien. Mit dem jetzigen Ergebnis dürfte ihr Einfluss auf europäischer Ebene zunehmen.
Deutschland: AfD stark - aber schwächer als noch Anfang des Jahres
In Deutschland war die Europawahl auch ein wichtiger Stimmungstest vor den drei Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im September und der Bundestagswahl im kommenden Jahr. Dass die AfD in Ostdeutschland mit grossem Vorsprung auf Platz eins liegt, ist da von besonderer Bedeutung.
Trotz der Kontroversen um ihren Spitzenkandidaten konnte die Partei bundesweit stark zulegen. Nach Hochrechnungen kommt sie auf 15,8 bis 15,9 Prozent, ein Plus von fast fünf Punkten gegenüber 2019. Sie schneidet damit besser ab als alle Ampel-Parteien - die SPD kam auf 14 Prozent, die Grünen auf 11,9 Prozent und die FDP auf 5,1 Prozent. Mit grossem Abstand auf Platz eins liegt allerdings die Union mit 30,2 bis 30,3 Prozent.
Das AfD-Ergebnis fiel schwächer aus als in Umfragen Anfang des Jahres. Damals hatte sie zwischenzeitlich bei mehr als 20 Prozent gelegen. Vorwürfe gegen ihren Spitzenkandidaten Maximilian Krah und die Nummer zwei auf der Europawahl-Liste, Petr Bystron, brachten die Partei aber in Schwierigkeiten.
Frankreich: Le Pens Rechtsnationale vorn
Für den französischen Präsidenten ist die Europawahl eine herbe Niederlage. Die rechtsnationale Partei Rassemblement National (RN) um Marine Le Pen holte nach Hochrechnungen an die 32 Prozent - mehr als doppelt so viel wie Macrons Lager. Der Staatschef kündigte als Konsequenz eine Neuwahl des Unterhauses an, die zwei Wahlgänge sind für 30. Juni und 7. Juli geplant. «Ich kann also am Ende dieses Tages nicht so tun, als ob nichts geschehen wäre», sagte er.
Macrons Mitte-Lager war bereits geschwächt. Seit 2022 hat es in der Nationalversammlung keine absolute Mehrheit mehr. Das Regieren gestaltete sich seitdem mühselig. Der Blick richtet sich zudem auf die Präsidentenwahl in knapp drei Jahren. Macron, der sich zweimal in der Stichwahl gegen Le Pen durchsetzte, darf nicht erneut kandidieren. Noch ist unklar, wen die Mitte-Kräfte ins Rennen schicken werden und wer eine Chance gegen Le Pen hätte. Die Tochter des rechtsextremen Parteigründers Jean-Marie Le Pen hat es geschafft, ein deutlich gemässigteres Bild abzugeben und die Partei bis ins bürgerliche Lager wählbar zu machen.
Österreich: FPÖ vor der Parlamentswahl im Herbst im Aufwind
In Österreich ist es das erste Mal, dass die Rechtspopulisten bei einer landesweiten Wahl auf Platz eins liegen. Die FPÖ kommt laut vorläufigem Ergebnis auf 25,5 Prozent der Stimmen. Die konservative ÖVP erreicht 24,7 Prozent. Die sozialdemokratische SPÖ folgt mit 23,3 Prozent.
Die FPÖ hatte im Wahlkampf unter dem Motto «EU-Wahnsinn stoppen» vielfach ihre EU-Skepsis betont und die EU im Ukraine-Konflikt als kriegstreibende Kraft dargestellt. Für Parteichef Herbert Kickl scheint damit das Ziel, nächster Kanzler zu werden, näher zu rücken. Im Herbst wird in Österreich ein neues Parlament gewählt.
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Das europaweite Ergebnis: Mitte-Rechts vorn
Im leicht vergrösserten Europaparlament bleibt die EVP mit den deutschen Parteien CDU und CSU nach einer ersten europaweiten Hochrechnung vom späten Abend stärkste Kraft. Sie kann demnach 189 der 720 Sitze besetzen (zuletzt 176 von 705).
Die rechtspopulistischen Parteienbündnisse EKR und ID kommen auf 72 (zuletzt 69) beziehungsweise 58 (zuletzt 49) Sitze. Nicht mitgezählt sind dabei die AfD-Abgeordneten, weil die AfD kurz vor der Wahl aus der ID-Fraktion ausgeschlossen worden war.
Zweitstärkstes Lager bleiben die Sozialdemokraten. Sie kommen auf 135 Mandate (zuletzt 139). Danach folgen die Liberalen, die auf 80 Sitze abrutschen (zuletzt 102). Ein grosser Verlierer sind die Grünen. Sie kommen nur noch auf 52 Sitze (zuletzt 71).
Was bedeutet das für die Europapolitik?
Grundsätzlich könnte es so sein, dass die Mehrheitsfindung im Europäischen Parlament noch einmal schwieriger wird. Für die künftigen Machtverhältnisse dort ist auch relevant, ob sich eventuell Parteien aus den bisherigen rechten Bündnissen EKR und ID zu einer neuen Allianz zusammentun. Die Französin Marine Le Pen hatte dafür zuletzt bei der italienischen Regierungschefin Meloni geworben.
Als wahrscheinlich gilt, dass das Mitte-Rechts-Bündnis EVP in den nächsten Tagen Gespräche mit Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen führen wird, um eine lose Zusammenarbeit zu vereinbaren, die dann auch eine Mehrheit für die Wahl von der Leyens sichern könnte. Theoretisch könnten auch noch Kooperationsmöglichkeiten mit einzelnen rechten Parteien ausgelotet werden. So hat die EVP eine Zusammenarbeit mit Meloni vor der Wahl nicht ausgeschlossen. Ihre Fratelli d’Italia gehören bislang zur rechtskonservativen EKR-Fraktion.
Ob die EU-Politik als Ganzes nach rechts rückt, hängt nicht nur von den Mehrheiten im Parlament ab. Entscheidend sind dabei auch die Kräfteverhältnisse im Rat der EU-Staaten. Eine wichtige Rolle dürfte dabei der Ausgang der Präsidentschaftswahl 2027 in Frankreich spielen.
(sda)