Verhütung

Pille für den Mann – erste Tests stimmen zuversichtlich

· Online seit 14.02.2023, 17:10 Uhr
Seit mehr als 60 Jahren gehört sie zu den zuverlässigsten Verhütungsmitteln und zum Alltag vieler Frauen: Die Antibabypille. Für den Mann gab es dagegen kein Medikament, um beim Sex eine Schwangerschaft zu umgehen. Das könnte sich jetzt ändern.
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Sex ohne Schwangerschaft – seit 1960 ermöglicht das die Antibabypille für die Frau. Das Präparat greift in den Ablauf des Menstruationszyklus ein und unterdrückt den Eisprung. Damit wird sehr zuverlässig eine Empfängnis verhütet. Bei korrekter Anwendung werden laut Studien nur drei von tausend Frauen schwanger.

Die Pille hat sich unter den hormonellen Verhütungsmitteln längst als Standard etabliert. Laut einer Umfrage des Bundesamts für Statistik setzten 2017 31 Prozent der Schweizer Frauen auf das Medikament. Allerdings: Die Nutzung nimmt seit den frühen 90er-Jahren ab. Es zeichnet sich eine Verschiebung weg von der Pille hin zu anderen hormonellen Verhütungsmethoden ab.

So wirksam die Pille zur Verhinderung ungewollter Empfängnis auch ist, das Mittel ist nicht ohne Kritik geblieben. So ist insbesondere umstritten, dass die Verantwortung für die Verhütung durch die Pille auf die Frau abgewälzt wurde. Auch die zahlreichen psychischen und physischen Nebenwirkungen durch die Beeinflussung des Hormonhaushalts betreffen nur den weiblichen Part.

Tests mit Mäusen sind erfolgreich

Obwohl die Antibabypille für Frauen also durchaus umstritten ist, kommt die Entwicklung eines ähnlichen Verhütungsmittels für den Mann seit Jahrzehnten nicht vom Fleck. Verschiedene Ansätze wurden erforscht und wieder ad acta gelegt. Wollen Männer heute eine Schwangerschaft verhindern, ziehen sie sich in der Regel entweder ein Kondom über oder lassen sich sterilisieren.

Das könnte sich nun ändern. Eine neue, nicht-hormonelle Verhütungspille für Männer zeigt in einer Studie an Mäusen vielversprechende Resultate. Die Substanz kann laut Froschenden bei Bedarf jeweils kurz vor dem Sex eingenommen werden. Der Weg dahin ist laut einem Schweizer Experten allerdings noch weit.

Die Forscherinnen und Forscher aus den USA testeten das Präparat in einer Reihe von Experimenten an Mäusen. Die Resultate wurden am Dienstag im renommierten Fachblatt «Nature Communications» publiziert.

Zwei Stunden Unfruchtbarkeit

Nach der Einnahme des Wirkstoffs «TDI-11861» waren die männlichen Mäuse laut der Studie für zwei Stunden zu 100 Prozent unfruchtbar. Trotz 52 verschiedener Paarungsversuche wurden keine Weibchen schwanger. Nach 24 Stunden war die Fruchtbarkeit der Männchen wieder auf einem normalen Niveau. Nebenwirkungen gab es keine, auch nicht bei einer kontinuierlichen Verabreichung des Medikaments während sechs Wochen.

Für Phillipp Quaas vom Universitätsspital Basel ist klar: «Dieser Ansatz hat Potenzial», sagte der Arzt im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. «Für eine Zulassung dieses Wirkstoffs als Medikament braucht es aber noch mehr Informationen.» Insbesondere müssten Studien an Menschen durchgeführt werden. Bis man diese Pille für den Mann in der Apotheke kaufen kann, dauere es demnach noch. «Wenn man es richtig pusht, könnte ein solches Medikament in fünf bis zehn Jahren zugelassen werden», schätzte Quaas.

Wirkt schnell

Der Wirkstoff zielt auf ein Enzym namens lösliche Adenylylzyklase (sAC) ab. Dieses ermöglicht die Bildung eines Botenstoffs (Adenosinmonophosphat), der für die Beweglichkeit von Spermien benötigt wird. Wird die sAC gehemmt, können Spermien also nicht mehr schwimmen. Die Entdeckung könnte für die Empfängnisverhütung von entscheidender Bedeutung sein, schrieben die Autoren in der Studie.

Der grosse Vorteil dieses Hemmstoffs ist laut Quaas, dass er schnell wirke. Innerhalb von 30 Minuten bis zu einer Stunde macht der Wirkstoff Männer unfruchtbar. «Die meisten aktuellen Bemühungen um die Entwicklung neuer Verhütungsmittel für Männer wirken sich auf die Spermienentwicklung aus, was bedeutet, dass die Verhütung eine monatelange kontinuierliche Vorbehandlung erfordert», schrieben die Autorinnen und Autoren in der Studie.

Hormonelle Verhütung bleibt schwierig

Der neue sAC-Hemmer ist nicht der einzige Wirkstoff-Kandidat für die Männerpille. Als vielversprechend gilt auch der Wirkstoff mit dem Namen «YCT529», der im März 2022 das erste mal vorgestellt wurde, sowie der Wirkstoff «VU0546110», der im Januar 2023 vorgestellt wurde. Auch diese beiden nicht-hormonellen Verhütungsmittel wurden an Mäusen erfolgreich getestet.

Bis Mitte 2011 wurde ausserdem an einer hormonellen Verhütungsspritze für Männer geforscht. In einer WHO-Studie wurde 320 Studienteilnehmern über mehrere Wochen hinweg eine Hormonspritze verabreicht. Im Hinblick auf die Verhütung sei das sehr erfolgreich gewesen. Die Studie wurde aber gestoppt.

Rund zehn Prozent der Männer hatten nämlich über Nebenwirkungen wie Akne, erhöhte Libido und Stimmungsschwankungen geklagt, hiess es in der Studie. Interessanterweise ganz ähnliche Nebenwirkungen, wie sie auf dem Beipackzettel der Hormonpille für die Frau ebenfalls zu finden sind.

(osc/sda)

veröffentlicht: 14. Februar 2023 17:10
aktualisiert: 14. Februar 2023 17:10
Quelle: Today-Zentralredaktion

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