Wie ist die Stimmung, nachdem die Abstimmung am Sonntag nicht das gewünschte Resultat gebracht hat?
Melanie Racine: Am Anfang war die Enttäuschung schon sehr gross. Wir haben damit gerechnet, dass es sehr schwierig werden wird. Dass es sich aber am Schluss so eindeutig entscheidet, war schon hart. Die eine Initiative hat ein Geschenk versprochen und unsere Initiative halt eine Forderung aufgestellt.
Wart ihr vielleicht auch ein bisschen «hässig» auf die ältere Generation, die sich mit der zusätzlichen Monatsrente ein Zückerli gegönnt hat?
Uns war immer wichtig, dass wir nicht die jüngere gegen die ältere Generation ausspielen – auch während des Abstimmungskampfes. Wir hatten ein sehr breites Komitee mit Leuten aus jeder Altersklasse aus der gesamten Schweiz. Für mich war immer unverständlich, weshalb die Jungen etwas bezahlen sollten, das gar nicht alle älteren Menschen bräuchten. Es sollte den Leuten zugute kommen, die auch darauf angewiesen sind.
Mit der Annahme der 13. AHV-Rente werden sie auch viele bekommen, die sie gar nicht möchten. Ich habe auch von vielen Älteren gehört, dass sie sich für ihre Generation schämen und beispielsweise eine Stiftung eröffnen möchten, bei der alle, die den 13. nicht brauchen, den Betrag einzahlen können.
Sind die Vergünstigungen, von denen Rentnerinnen und Rentner in verschiedenen Bereichen (öffentlicher Verkehr, Kultur und so weiter) profitieren, denn nun noch berechtigt und nötig?
Man muss sich schon überlegen, ob es diese Vergünstigungen wirklich noch braucht. Auch in Umfragen hat sich gezeigt, dass die Älteren jene sind, die am meisten Geld zur Verfügung haben. Sie konnten ein Vermögen aufbauen, besitzen vielleicht ein Eigenheim, können in die Ferien gehen. Das sollte man schon mal überdenken. Aber wie schon gesagt, es soll nicht Jung gegen Alt ausgespielt werden – es braucht eine gemeinsame Lösung, die für alle passt.
Ich finde es vor allem wichtig, dass jetzt mal geschaut wird, wie die 13. AHV-Rente finanziert wird. Das ist ja zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht klar und wird im Parlament diskutiert. Ich fände es unfair, gerade für die jüngeren Leute, wenn sie über die Lohnbeiträge finanziert werden würde. Das würde dann genau die betreffen, die jeden Tag aufstehen, arbeiten, etwas leisten und dann zum Schluss vom Monat noch weniger von ihrem Verdienst haben würden als sonst schon. Dort braucht es wirklich eine gute Lösung. Vielleicht sollte man auch mal schauen, wo man etwas streichen könnte und nicht eine zusätzliche Einnahmequelle suchen, die die Jungen dann bezahlen müssen.
Was wären denn andere Optionen, die für die Finanzierung der Zusatzrente infrage kommen würden?
Für mich ist klar, dass man auch über das Rentenalter diskutieren muss. Vielleicht nicht direkt so, wie es die Renteninitiative gefordert hat, aber dass man das Thema Alter auch in Betracht zieht. Wir Menschen leben immer länger und es braucht auch beim Rentenalter einen Hebel, der angesetzt wird.
Die Mehrwertsteuer wäre auch ein Ansatz, den zumindest alle betreffen würde. Dies wäre jedoch auch eher unsozial, weil es dann eher die Mittelschicht und die ärmeren Menschen betrifft. Aus diesem Grund bin ich eher dafür, dass man schaut, wo man Ausgaben kürzen könnte.
Sie haben gesagt, dass sich viele Ältere schämen, weil sie nun profitieren. Könnte man das umdrehen für die Zukunft, dass die Jungen auch auf den Support der älteren Generation zählen können? Oder glauben Sie nicht daran?
Das gestaltet sich eher schwierig, weil wir immer mehr ältere Leute haben. Schon bald ist ein Viertel der Leute über 65 Jahre alt, darum werden sie häufig die Jungen an der Urne überstimmen. Man schaut ja dann jeweils schon auch auf die eigenen Interessen. Ich fände es schön, wenn in Zukunft der Blick aufs grosse Ganze gerichtet werden würde: Wie wirkt sich das auf alle Generationen, auch solche, die noch nicht geboren sind, aus?
Bei den Leuten hat sich mittlerweile vielleicht im Gegensatz zu früher auch eine etwas andere Mentalität eingebrannt, im Sinne von «was ich bekommen kann, das nehme ich». Stellen Sie diesen Wandel auch fest?
Ja, das merke ich tatsächlich auch. Ich finde es dort einfach sehr wichtig zu erwähnen, dass jeder Franken, den der Staat ausgibt, auch irgendwie verdient werden muss. Es kann sein, dass sich in den Köpfen der Leute vermehrt das Bild «Wir haben Geld für alles» abzeichnet – aber so ist es halt nicht. Wir müssen jetzt einsparen, bei den Bundesfinanzen sieht es nicht gut aus. Darum finde ich es wichtig, dass wir wieder zu einer Haltung zurückkommen «Alles, was wir ausgeben, müssen wir zuerst einnehmen». Dass der Wohlstand, den die vorherigen Generationen erarbeitet haben, weiterhin bestehen kann.
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