Mittelland

Grenchner Bordellschef wird wegen Vergewaltigung, Menschenhandel und Förderung der Prostitution verurteilt

Vergewaltigung und Menschenhandel

Gericht verurteilt Grenchner Bordellchef – 15 Jahre nach den Taten

· Online seit 04.03.2024, 15:47 Uhr
Ein Grenchner Bordellchef musste sich letzte Woche vor dem Amtsgericht Solothurn-Lebern verantworten. Er habe zwei Frauen aus Brasilien vergewaltigt, sie zu ungeschütztem Sex gezwungen und ihre finanzielle Not ausgenutzt. Weil die Justiz so langsam arbeitete, muss der Mann nicht ins Gefängnis.
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Der Grenchner Bordellchef, der neben der Vergewaltigung auch wegen Menschenhandel und Förderung der Prostitution vor Gericht stand, wurde vom Amtsgericht Solothurn-Lebern verurteilt. Die Taten soll er im Zeitraum zwischen 2007 und 2011 begangen haben.

Den betroffenen Brasilianerinnen, die aus sehr armen Verhältnissen stammen, sei ein legaler Arbeitsvertrag versprochen worden, berichtet die Solothurner Zeitung. Sie hätten angenommen, dass sie in der Schweiz angemessen verdienen und ihre Sexarbeit ausüben könnten. 

Dem Chef vollkommen ausgeliefert

Ihr Arbeitsplatz befand sich in einem einst bekannten bis berüchtigten, nun geschlossenen «Sauna- und Partyclub» in Grenchen. Die Ereignisse, die sie dort erlebten, sind mittlerweile in einer Akte der Solothurner Justiz dokumentiert. Sie bietet einen seltenen Einblick in ein Milieu, das normalerweise schwer zugänglich ist. 

  • Im geschlossenen «Sauna- und Partyclub» mussten die beiden Frauen jeweils 150 Franken Eintritt bezahlen, aufreizende Kleidung und hochhackige Schuhe anziehen.
  • Ihre Arbeitszeit betrug zwölf Stunden ohne Pause.
  • Im Club waren Überwachungskameras angebracht.
  • Kunden und Wünsche durften sie nicht ablehnen.
  • Die Frauen mussten trotz Krankheit oder Menstruation arbeiten.
  • Wurde der Verkehr geschützt vollzogen, gab es Bussen.

Zwar seien die Frauen einverstanden gewesen, unter diesen Bedingungen anzuschaffen, wie in der Anklageschrift steht. Die beiden Frauen waren verschuldet, auch aufgrund der Reisekosten. Somit sei das Selbstbestimmungsrecht der beiden Frauen verletzt worden. Ausserdem hatten sie keine Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung und waren weder der Sprache noch der Kultur mächtig. Somit seien sie dem nun angeschuldigten Geschäftsführer völlig ausgeliefert gewesen.

Neben Menschenhandel wird dem Bordellchef Vergewaltigung vorgeworfen. Die Sexarbeiterinnen sagten dem Geschäftsführer immer wieder, dass sie keinen ungeschützten Sex mit ihm wollten. Sie versuchten ihn abzuwehren. Der athletische Geschäftsführer ging gewaltsam vor, riss an den Haaren und an sehr empfindlichen Stellen der beiden. Mit der einen Frau hatte er eine Beziehung. Die andere erhoffte sich, dass er ihr die Schulden erlässt.

Zeugen widersprechen einander

Eine ehemalige Rezeptionistin gab an, krankheitsbedingt kaum noch Erinnerungen zu haben. Die Zeugin behauptete, nicht gewusst zu haben, was «in den Zimmern» passierte.

Zwei Zeugen waren ehemalige Freier, einer lobte den Club in den höchsten Tönen. Er sei bei der Einschleusung der beiden Frauen aus Brasilien dabei gewesen und habe ihnen eine Unterkunft verschafft. Die Zeugen widersprachen sich zum Teil gegenseitig und auch sich selbst. Angeblich haben sie wenig gewusst. Deshalb verlief die Befragung sehr schleppend und zog sich über mehrere Tage. 

Der Bordellchef seinerseits gab sich während des Prozesses verhalten und unwissend, die Vorwürfe stritt er ab.

«Zweifelsfrei schuldig»

Die Staatsanwältin beantragte eine sechsjährige Freiheitsstrafe, die aufgrund der langen Dauer des Verfahrens auf zwei Jahre reduziert werden müsse. Sie empfahl eine bedingte Strafe, da der Bordellchef nicht vorbestraft sei. Der Anwalt der Frauen, Florian Wick, äusserte Bedenken, dass der Chef möglicherweise von Polizeikontakten profitiert habe und der Fall absichtlich verzögert worden sei. Er betonte die schwerwiegenden Folgen für seine Mandantin, die auf starke Medikamente angewiesen sei. Ausserdem bemerkte er, dass die Zeugen möglicherweise durch Absprachen beeinflusst worden seien. 

Der Bordellchef wurde vom Amtsgericht schliesslich zu zwei Jahren Freiheitsstrafe bedingt verurteilt, bei einer Probezeit von drei Jahren. Das Gericht hielt fest, er sei zweifelsfrei schuldig.  Die Opfer erhielten niedrigere Genugtuungszahlungen als beantragt. Das Gericht rügte den Bordellchef für seine vorherige Kontaktaufnahme mit den Zeugen, die Staatsanwaltschaft für die lange Verfahrensdauer und dass die Behörden den Vorwürfen der Verstrickung mit der Polizei nicht nachgegangen seien. Das Urteil kann ans Solothurner Obergericht weitergezogen werden.

(SZ/ckp)

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veröffentlicht: 4. März 2024 15:47
aktualisiert: 4. März 2024 15:47
Quelle: 32Today

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