Bipperlisi

«Bewusst fahrlässig»: Lokführer schuldig nach schwerem Unfall mit Fussgänger

29.02.2024, 15:26 Uhr
· Online seit 28.02.2024, 17:47 Uhr
Vor sechs Jahren kollidierte beim Solothurner Baseltor das «Bipperlisi» mit einem Fussgänger und verletzte diesen schwer. Hätte der Lokführer die fatale Kollision verhindern können? Ja, sagt das Solothurner Obergericht.
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Der Unfall im März 2018 ereignete sich an einem Samstag kurz nach dem Mittag. Eben war das Bipperlisi am Bahnhof Solothurn losgefahren, als es zwischen Rötibrücke und Baseltor-Kreisel zum Crash mit dem Fussgänger kam. Bei der Unfallstelle liegt das Trassee in der Strassenmitte.

Das Unfallopfer war in einer Dreiergruppe unterwegs und wollte die Strasse queren. Es richtete die Aufmerksamkeit auf den Strassenverkehr, schaute daher Richtung rechts – und übersah die von links nahende Strassenbahn. Und dies trotz der sogenannten Umlaufschranke; mit ihr wird verhindert, dass Passanten geradewegs die Strasse und das Trassee queren können. Sie müssen stattdessen einen kleinen Slalom hinlegen.

Nicht gepfiffen, kaum gebremst

Gemäss Strafbefehl der Staatsanwaltschaft sah der Lokführer zwar die Fussgängergruppe von Weitem und verlangsamte seinen Zug, von 42 auf 35 km/h. Die Ehefrau des späteren Opfers sah das Unheil kommen und versuchte noch, ihren Mann an der Jacke zurückzuziehen. Doch vergebens: Der Mann wurde vom Bipperlisi erfasst und schwer verletzt. Er erlitt schwerste Kopfverletzungen, schwebte in Lebensgefahr und ist seither zu 100 Prozent arbeitsunfähig.

Hätte der Lokführer die Kollision verhindern können? Ja, befanden die Staatsanwaltschaft und das Amtsgericht Solothurn-Lebern. Letzteres verurteilte den heute 74-Jährigen zu einer bedingten Geldstrafe und einer Busse. Der Beschuldigte zog das Urteil daraufhin weiter ans Solothurner Obergericht.

Doch dieses kommt am Mittwoch zu ähnlichen Schlüssen wie die Vorinstanz, wie Radio SRF berichtet. Das Obergericht reduzierte die bedingte Geldstrafe ein wenig, von 120 auf 115 Tagessätze, allerdings bei einem höheren Tagesansatz. Aber auch fürs Obergericht ist klar, dass der Lokführer die Kollision hätte verhindern können, ja müssen. Er unterliess es, einen Warnpfiff abzugeben und verlangsamte nur schwach, obwohl er sehen musste, dass die Fussgänger ihren Blick auf die andere Seite richteten und das nahende Bipperlisi nicht wahrnahmen.

«Bewusste Fahrlässigkeit»

Das Obergericht sprach an der mündlichen Urteilseröffnung am Mittwoch von einer «bewussten Fahrlässigkeit», indem der Lokführer das Nötige unterliess, um eine Kollision zu verhindern. Diskutiert wurde in diesem Zusammenhang auch die Frage, ob das Bipperlisi als Tram beziehungsweise Strassenbahn gilt oder als Zug. Hier kam das Gericht zum Schluss, dass der Abschnitt der Aare-Seeland-mobil in der Stadt Solothurn als Strassenbahn gilt. Entsprechend höher sind die Anforderungen an die Vorsicht der Lokführerinnen und Lokführer im Vergleich zu einer Fahrt auf offener Strecke.

In der Haftungsfrage kam das Gericht zum Schluss, dass auch das Opfer Mitverantwortung trägt. Ein Drittel der Kosten, die durch den Unfall entstanden sind, muss deshalb nicht der Beschuldigte tragen, sondern der Geschädigte.

Das Urteil ist noch nichts rechtskräftig, es kann ans Bundesgericht weitergezogen werden.

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veröffentlicht: 28. Februar 2024 17:47
aktualisiert: 29. Februar 2024 15:26
Quelle: 32Today

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