Bernerin gründet Anlaufstelle

Dina Hediger: «Das Thema Frühgeburt kann jeden betreffen»

29.03.2023, 21:26 Uhr
· Online seit 26.03.2023, 07:46 Uhr
Die Zwillinge von Dina Hediger kamen über drei Monate zu früh zur Welt. Lange bangte die Familie um deren Überleben. Da es keine Anlaufstelle für betroffene Frühchen-Eltern gab, gründete die Bernerin selbst eine – und erreicht damit Eltern aus der ganzen Schweiz.

Quelle: TeleBärn

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Dina Hediger war 2018 schwanger mit Zwillingen. Doch diese kamen 14 Wochen zu früh zur Welt. «Die Fruchtblase platze, als mein Mann in den Ferien war», erinnert sich die Bernerin. «Es war ein Schock. Wir haben über 100 Tage im Spital verbracht, acht Wochen waren wir auf der Intensivstation. Wir haben um Leben und Tod der Zwillinge gebangt.» Dieses Erlebnis habe sie und ihren Mann aus dem Alltag gerissen. «Plötzlich waren wir fast den ganzen Tag im Spital. Für Freunde, Hobbies und den Job hat man da keine Zeit mehr.» Das Paar wurde in ein für sie unbekanntes medizinisches Umfeld katapultiert.

In diesem Video erhältst du einen Eindruck, wie Frühchen nach der Geburt behandelt werden:

Die Situation bewog die frisch gebackene Mutter dazu, nach einer Plattform zu suchen, die über das Thema Frühgeburt informiert. «Wir wollten wissen, was hier tagtäglich mit unseren Kindern passiert oder uns mit anderen Eltern austauschen. Doch da gab es nichts. Ich war alleine mit dem Thema.» Diese Erfahrung führte dazu, dass die Dina Hediger 2022 selbst die Organisation «Frühchen Schweiz» ins Leben rief.

19 Frühgeburten pro Tag in der Schweiz

Alles habe nach dem Spital-Austritt begonnen, erzählt Hediger. «Es hat mich immer wieder beschäftigt, dass es in der Schweiz keine Anlaufstelle für Eltern zum Thema Frühgeburten gibt.» Zumal die Bernerin mit dem Thema Frühgeburten alles andere als alleine ist: Laut Bundesamt für Statistik (BFS) werden im Durchschnitt werden sieben Prozent aller Neugeborenen zu früh geboren. Das entspricht circa 19 Frühgeburten pro Tag. Anders gesagt: Fast jede Stunde erlebt eine Familie in der Schweiz eine Frühgeburt.

«Ich habe schnell begonnen, Erfahrungsberichte zu sammeln und Vorträge zu geben – beispielsweise im Inselspital oder am Berner Bildungszentrum für Pflege», erinnert sich Hediger. «Es ist sehr wichtig, dass betroffene Eltern und Kinder Unterstützung erhalten. Das Thema Frühgeburt kann jeden betreffen.»

Frühchen-Eltern erzählen ihren Erlebnissen:

Die Bernerin kontaktierte alle 29 Schweizer Neonatologien, um sie zur Zusammenarbeit zu ermuntern. «Alle sind mit an Bord gekommen. ‹So einen Anstoss haben wir gebraucht›, haben sie gesagt.» Die Zusammenarbeit entwickelte sich. Mittlerweile werden Flyer von «Frühchen Schweiz» in den Neonatologie an betroffene Eltern abgegeben.

Im Februar hat «Frühchen Schweiz» im Inselspital Bern die Austauschgruppe «Eltern unterstützen Eltern» lanciert. Doch damit ist noch nicht Schluss: «Wir planen bereits die nächsten Standorte in Aarau, Zürich und so weiter. Zudem haben wir eine nationale Elterngruppe und ein medizinisches Expertenteam aufgebaut.» Die Plattform sei dafür da, alle Bedürfnisse, egal ob auf lokaler oder nationaler Ebene, zu vertreten. «Wir fördern den Austausch und die Vernetzung der Betroffenen und sensibilisieren die Öffentlichkeit zu diesem Thema.» Aktuell befände man sich in der Phase, neue Partnerschaften mit Firmen einzugehen und das Thema weiter bekannt zu machen.

Mittlerweile arbeitet die Organisation «Frühchen Schweiz» auch bei verschiedenen Forschungsprojekten mit Universität mit und ist Teil eines Netzwerkes ähnlicher Organisationen aus dem Ausland.

Viele positive Rückmeldungen

Wie reagieren betroffene Eltern auf «Frühchen Schweiz»? «Ich erhalte so viele positive Nachrichten, dass ich gar nicht dazu komme, alle zu beantworten», berichtet Dina Hediger. Die meisten davon würden von Menschen stammen, die genau ein solches Angebot früher vermisst haben oder jetzt in der Situation nach einer Frühgeburt sind.

Die Bernerin ist überzeugt, mit «Frühchen Schweiz» eine Plattform geschaffen zu haben, die eine grosse Informationslücke schliesst. Als sie früher ohne eine solche Plattform selbst im Internet recherchiert hat, sei sie auf viele «Schockberichte» gestossen. «Mir selbst hätte enorm geholfen, wenn ich gewusst hätte, dass die Chance besteht, dass meine Kinder gesund und normal werden.»

Ihren Zwillingen gehe es heute super, erzählt Hediger. «Unser drittes Kind war eine Termingeburt. Es war Balsam für das Herz, alles nochmal zu erleben in normalen Umständen, wie man es sich vorstellt.»

veröffentlicht: 26. März 2023 07:46
aktualisiert: 29. März 2023 21:26
Quelle: BärnToday

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